Wien – Der Presserat hat krone.at für die unverpixelte Veröffentlichung eines Fotos gerügt, das einen von seiner Ehefrau niedergestochenen, benommen und blutend auf dem Boden sitzenden Mann zeigt. Die Onlineseite der "Kronen Zeitung" verletzte damit die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse, befand der Senat 2 des Selbstkontrollorgans.

Das Foto war im Rahmen eines Artikels abgebildet, der den Vorfall näher beschreibt. So sei es zwischen einer Frau in Russland und ihrem Ehemann zu einem Streit gekommen. Im Zuge dessen stach sie ihn nieder und machte anschließend ein Selfie, das auch den am Boden kauernden, schwer verletzten Mann zeigt. Die Aufnahme schickte sie anschließend an ihre Freunde. Auf krone.at wurde nur der Raum, der wohl weitere Blutspuren aufweist, verpixelt.

Eine Leserin kritisierte gegenüber dem Presserat die Veröffentlichung des Fotos, woraufhin ein Verfahren eingeleitet wurde. Daran nahm kein Vertreter der "Kronen Zeitung" teil. Das Medienunternehmen erkennt die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht an.

Voyeurismus und Sensationsinteressen

Der Presserat betont, dass Medien beim Thema "häusliche Gewalt" zwar einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Bewusstseinsbildung leisten können, dabei jedoch stets auf die Würde der Opfer geachtet werden müsse. Im vorliegenden Fall sei dies nicht geschehen. Die Fotoveröffentlichung stelle einen Eingriff in die Menschenwürde dar und diene vor allem der Befriedigung des Voyeurismus und der Sensationsinteressen gewisser Userinnen und User. Unerheblich sei, dass das Foto zuvor in den sozialen Medien verbreitet wurde. Denn Medien komme eine Filterfunktion zu. Sie müssen eigenständig entscheiden, ob die Veröffentlichung von Bildmaterial persönlichkeitsverletzend ist.

Der Senat 2 des Presserats fordert krone.at auf, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten. Auch empfahl er, das Foto aus dem Beitrag zu entfernen. Dem leistete das Medienunternehmen mittlerweile auch Folge. Stattdessen ist nun ein Symbolbild, das ein großes Messer zeigt, zu sehen.

Nicht beanstandet hat krone.at, dass der Presserat formal nicht zuständig gewesen wäre, wie er nachträglich feststellte. Denn der Artikel ist aus 2018, die Verfahrensordnung des Selbstkontrollorgans sieht jedoch eine Beschwerdefrist von sechs Monaten vor. (APA, 22.3.2022)