Heuer nahmen die Unternehmensinsolvenzen in allen Bundesländern zu.

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Wien – Bereits im vergangenen Herbst hat sich eine klare Trendwende bei den Unternehmensinsolvenzen in Österreich abgezeichnet. Diese Entwicklung setzt sich nun fort, wie vom Kreditschutzverband 1870 (KSV 1870) veröffentlichte Zahlen zeigen. Staatliche Corona-Hilfen, das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht sowie Steuerstundungen haben die Firmenpleiten in den letzten eineinhalb Jahren auf ein sehr niedriges Niveau gedrückt. Nachdem nun fast alle Hilfen ausgelaufen sind, befinden sich die Zahlen im ersten Quartal wieder in etwa auf Vorkrisenniveau. Auch die Privatinsolvenzen steigen wieder.

In den ersten drei Monaten 2022 waren laut KSV-1870-Insolvenzhochrechnung 1.011 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Damit haben sich die Pleiten gegenüber dem ersten Quartal 2021 mehr als verdoppelt. Die vorläufigen Passiva stiegen um 56 Prozent auf 223 Millionen Euro. Alle Bundesländer verzeichneten mehr Unternehmensinsolvenzen als im Jahr davor. Mit zunehmenden Insolvenzen steigt auch die Zahl der betroffenen Beschäftigten. Waren im ersten Quartal 2021 rund 1.500 Menschen von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen, so sind es heuer 3.000 Personen.

Größte Pleite betrifft 100 Beschäftigte

Die bis dato größte Firmenpleite ist der Biomassekraftwerke-Hersteller Polytechnik mit Sitz in Weissenbach an der Triesting in Niederösterreich mit vorläufigen Passiva von 69,6 Millionen Euro und mehr als 100 betroffenen Beschäftigten.

"Die kommenden Monate werden zeigen, wie stabil das wirtschaftliche Fundament zahlreicher Unternehmen tatsächlich ist", sagte KSV-1870-Insolvenzleiter Karl-Heinz Götze am Dienstag laut einer Aussendung. In Anbetracht der vielfältigen Krisensituationen wie des Krieges in der Ukraine, Corona sowie der hohen Energie- und Rohstoffpreise sei eine Einschätzung der Insolvenzsituation für die kommenden Monate mit großer Vorsicht zu betrachten, so Götze. Der Insolvenzexperte hält ein Jahresergebnis auf Vorkrisenniveau von rund 5.000 Unternehmensinsolvenzen für möglich.

Auch Privatinsolvenzen nehmen wieder zu

Aus Sicht des KSV sind Insolvenzen nicht nur etwas Schlechtes, da man bei einer frühzeitigen Sanierung mehr retten kann, als wenn eine Firma ganz geschlossen werden muss, womit auch die Jobs weg wären.

Auch bei den Privatinsolvenzen hat sich die zu Jahresende erfolgte Trendumkehr fortgesetzt, wenngleich hier das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht wurde. Laut KSV-1870-Insolvenzhochrechnung wurden im ersten Quartal 2022 in Österreich 2.135 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren gezählt, das entspricht einem Plus von fast 20 Prozent gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahrs. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem letzten "Normaljahr" vor der Pandemie, bedeutet das einen Rückgang von 14,3 Prozent. Die vorläufigen Passiva stiegen um 35,9 Prozent auf 269 Millionen Euro.

Insolvenznovelle befeuert Schuldenregulierungsverfahren

"Einer der Hauptgründe für die seit Oktober 2021 kontinuierlich wachsende Zahl an eröffneten Schuldenregulierungsverfahren liegt in der Insolvenznovelle 2021, die Privatpersonen eine Entschuldung in kürzerer Zeit ermöglicht", erläutert Götze. Viele der Privaten hätten in der ersten Jahreshälfte 2021 zugewartet, um sich nach Inkrafttreten der Insolvenznovelle im Juli des vergangenen Jahres innerhalb von drei Jahren zu entschulden – und nicht wie zuvor in fünf Jahren.

Mit Blickrichtung Jahresende 2022 rechnet Götze mit einem Niveau bei den Privatinsolvenzen auf der Höhe des Jahres 2019. Damals wurden in Österreich rund 9.500 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, im Schnitt wären das 182 Fälle pro Woche. (APA, 22.3.2022)