Magersucht trifft Frauen und Mädchen deutlich häufiger als männliche Personen.

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Das Krankheitsbild von Anorexie hat immer mehrere Ursachen. Magersucht ist eine stark biologische Krankheit, bis zu 60 Prozent sind auf die Genetik zurückzuführen. Dazu kommen psychische Aspekte. In internationalen Leitlinien ist Psychotherapie deshalb die empfohlene Behandlung bei Magersucht – und das hilft gut, wie die weltweit größte Therapiestudie nun zeigt.

Forscherinnen und Forscher der Universitätskliniken Heidelberg und Tübingen konnten nachweisen, dass mehr als 80 Prozent der Betroffenen fünf Jahre nach psychotherapeutischer Behandlung vollkommen oder teilweise beschwerdefrei waren. Etwa ein Fünftel zeigte allerdings überhaupt keinen Therapieerfolg.

Die Ergebnisse der Studie für ambulant behandelte Magersuchtpatientinnen (Antop-Studie) haben die Wissenschafter jetzt in der Fachzeitschrift "Lancet Psychiatry" veröffentlicht: Fünf Jahre nach Therapieende konnten 41 Prozent der Patientinnen als genesen eingestuft werden, weitere 41 Prozent zeigten teilweise Magersuchtsymptome, 18 Prozent litten immer noch am Vollbild der Erkrankung.

Frauen überproportional betroffen

Magersucht (Anorexia nervosa) kann tödlich verlaufen und betrifft Frauen im Verhältnis eins zu zwölf überproportional oft: Auf einen betroffenen Patienten kommen zwölf Patientinnen. Die Betroffenen sind enormen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Aber auch ihre Angehörigen stehen unter einem großen Leidensdruck.

Bereits 2014 entstand aus einer Kooperation zehn deutscher psychosomatischer Universitätskliniken unter der Leitung von Stephan Zipfel vom Universitätsklinikum Tübingen und Wolfgang Herzog vom Universitätsklinikum Heidelberg die weltweit größte Psychotherapiestudie für Magersuchtpatientinnen.

"Für Anorexia-nervosa-Patienten und -Patientinnen ist der Blick in den Spiegel eine regelrechte Tortur. Sie nehmen sich als übergewichtig wahr, obwohl ihr Body-Mass-Index bereits eine bedrohliche Form angenommen hat. Die Gewichtsreduktion wird durch eine chronisch geringe Nahrungsaufnahme erreicht", schrieben die Universitäten.

Verschiedene Behandlungsprogramme

Obwohl die Krankheit auf den ersten Blick rein äußerliche Merkmale wie ein abgemagertes Erscheinungsbild aufweise, handle es sich in erster Linie um eine schwere psychosomatische Erkrankung.

Je nach Schwere der Erkrankung und dem Gewicht der betroffenen Person kann auch ambulant behandelt werden. In der Studie wurden drei innovative Behandlungsprogramme mit Kontrollgruppe und per Zufall zugeteilten Patientinnen verglichen.

Die "fokale psychodynamische Therapie" bearbeitet in Therapiesitzungen die ungünstige Gestaltung von Beziehungen sowie Beeinträchtigungen bei der Verarbeitung von Emotionen. Die "kognitive Verhaltenstherapie" zielt auf die Normalisierung des Essverhaltens und der Gewichtssteigerung sowie auf die Bearbeitung mit der Essstörung verbundener Problembereiche wie etwa Defizite bei sozialer Kompetenz. Die optimierten Behandlungen der "Richtlinienpsychotherapie" wiederum orientieren sich an Methoden der Standardpsychotherapie.

"Fünf Jahre nach Therapieende wiesen die Patientinnen im Mittel in allen drei Therapiegruppen deutliche Verbesserungen auf, zum Beispiel eine Zunahme des Gewichts, weniger gestörtes Essverhalten, weniger psychische Symptome", fasste Herzog die Ergebnisse zusammen. Ziel der Fünf-Jahres-Nachbeobachtung der Antop-Studie war es, erstens die Langzeitergebnisse einer gut beschriebenen und recht homogenen Stichprobe erwachsener Patientinnen zu bewerten und zweitens zu untersuchen, ob die bei der Ein-Jahres-Nachbeobachtung festgestellten Behandlungsvorteile mehr als vier Jahre später fortbestehen würden.

Ursprünglich waren 242 Patientinnen mit diagnostizierter Magersucht per Zufallsauswahl den drei Therapiegruppen zugeteilt worden. "Ein guter Therapieverlauf wird begünstigt von einem höheren Ausgangsgewicht, einer kürzeren Krankheitsdauer und durch das Fehlen einer Depression bei Therapiebeginn", betonten die Wissenschafter und Wissenschafterinnen.

Da aber eine nicht zu unterschätzende Gruppe von Patientinnen einen ungünstigen Verlauf aufwies, fordert Zipfel (Universitätsklinikum Tübingen) weitere Verbesserungen von Diagnostik und Therapie: "Wir brauchen weitere und spezifischere Marker in der Frühphase der Erkrankung, um gezielter potenziell besonders gefährdete Patientinnen erfolgreich behandeln zu können." (poem, APA, 23.3.2022)