Chris Hemsworth alias Tyler Rake beim Netflix-Dreh in Wien mit Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer.

Foto: Netflix / Jasin Boland

"Geld nicht in Österreich im Kreis schicken": Hannes Schalle.

Foto: Moonlake

"Bund muss handeln": Marijana Stoisits.

Foto: Katrin Bruder

Wien – Medienministerin Susanne Raab, Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, Österreichs international wichtigsten Medienmanager Gerhard Zeiler, den europäischen Großproduzenten Jan Mojto, ORF-General Roland Weißmann und seine Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz haben Österreichs Produzenten am Freitag* eingeladen, um eine für sie womöglich existenzielle Frage zu klären: "Was muss Österreich filmwirtschaftlich tun, um international nicht den Anschluss zu verlieren?" Der Nachsatz klingt wenig optimistisch: "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo." (*Update: Am Mittwoch wurde die Veranstaltung aufgrund mehrerer Krankheitsfälle verschoben, ein neuer Termin steht noch nicht fest)

Wirtschaftswachstum

"Ist er für Österreich schon abgefahren"?, fragte DER STANDARD zwei Branchenkennerinnen. "Wenn wir jetzt nichts tun, werden wir irrelevant", sagt Hannes Schalle. Der Produzent (Moonlake Entertainment, Silent Night, Lauda, Die Träume des Magiers) und Vorsitzende der Berufsgruppe in der Salzburger Wirtschaftskammer beschreibt die Lage so: "Wir leben jetzt schon im Fernsehen von der Großmacht Deutschland. Wenn alle vier Jahre über die Austrian Business Agency ein größerer Spielfilm akquiriert wird, dann ist das ein bisschen selten. Dann freut man sich, wenn Tom Cruise, Daniel Craig oder Chris Hemsworth nach Wien kommen, dann gibt es ein Politikerfoto. Das ist legitim. Aber wichtiger ist das Wirtschaftswachstum. Wenn das jetzt nicht passiert, ist der Zug abgefahren."

30 Prozent billiger

Im Februar war es wieder so weit: Ein Hubschrauber am DC Tower in Wien-Donaustadt, eine für Dreharbeiten gesperrte Donauplatte, ein Foto von Chris Hemsworth mit der Kulturstaatssekretärin – und Branchendiskussionen, ob eine Filmförderung überhaupt für eine Streamingproduktion von Netflix eingesetzt werden darf. Tyler Rake: Extraction kam von Dreharbeiten im nahen Prag für Wolkenkratzer-Szenen nach Wien.

Nicht allein wegen des schmucken DC Tower: Rund 1,5 Millionen Euro steuerte die Austrian Business Agency bei, mehr als fünf Millionen soll Netflix bei der Gelegenheit in Stadt und Land gelassen haben, bleiben rund vier Millionen für die österreichische Wirtschaft, rechnet Marijana Stoisits, Geschäftsführerin der Vienna Film Comission, vor.

Was braucht es, um mehr internationale Produktionen nach Wien zu holen? Schalle: "Spanien hat sich zum Nummer-eins-Land positioniert neben einem Zwergenland wie Malta, wo man mit Cash-Rebates oder Tax-Credits 30 bis 50 Prozent des im Land verifiziert ausgegebenen Kapitals wiederbekommt. Das ist keine Hexenkunst, da muss man auch kein Medienökonom sein, sondern nur ein versierter Buchhalter: Firma X hat im Land eine Million ausgegeben, wir geben 30 Prozent, und der Produzent weiß: Ich kann um 300.000 Euro günstiger produzieren. Es geht um Devisen und nicht darum, das österreichische Geld im Kreis zu schicken."

Hoffnung: Finanzminister

Zudem brauche es "einen gewachsenen Wirtschaftsstandort mit Crews, Studios, Technik, mit Serviceleistungen, die wir in Österreich auch nur marginal haben. Das konnte sich auch gar nicht entwickeln." Das ließe sich schon noch machen, sagt Schalle, wenn Österreich rasch handelt. Aber: "Wenn man nach Budapest schaut, nach Prag, nach Warschau, was sich da abspielt: Da können wir heute nicht mithalten."

Stoisits sieht auf der To-do-Liste für internationale Produktionen in Österreich vor allem eines: "Erstens eine Investitionsprämie, zweitens eine Investitionsprämie und drittens eine Investitionsprämie. Und viertens ein Studio." Investitionsprämie meint, sehr grob umrissen, Steuervorteile für in Produktionen in Österreich investiertes Geld, dafür haben Produzenten Modelle ausgearbeitet. "Der Bund muss endlich handeln", sagt Stoisits. "Meine Hoffnungen ruhen da auf dem neuen Finanzminister Magnus Brunner."

Wien fördert

Mittwoch präsentieren Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke, Wien Tourismus und Vienna Film Commission eine neue Produktionsförderung als Maßnahme für die Tourismuswirtschaft, die internationale Filmproduktionen nach Wien holen soll.Kolportiertes Fördervolumen: zwei Millionen Euro, ob Film, TV oder Streaming. Film- und Serienlocations sind ein zentraler Tourismusfaktor, sagt Schalle: "Das wissen wir spätestens seit Sound of Music. Location Expo ist das größte touristische Trading-Business, einmal jährlich in Los Angeles." (red, 23.3.2022)