Einen entsetzlichen Monatstag muss Europa morgen begehen: Vor vier Wochen hat Russland die Ukraine überfallen. Der Vorlauf zu diesem verbrecherischen Gemetzel – Warnungen aus den USA und die hilflose Ungläubigkeit, die sie teilweise auch in der Ukraine selbst hervorriefen – scheint in einem anderen Zeitalter stattgefunden zu haben. Und das stimmt ja gewissermaßen auch: Es wird in der europäischen Geschichte ein Vor und ein Nach dem Ukraine-Krieg geben.

Zerstörtes Wohnhaus in Mariupol.
Foto: IMAGO/Mihail Andronik

Und auch tausende Zeitungsseiten und TV- und Radio-Sendeminuten zum Thema später bleibt die wesentliche Frage unbeantwortet: Was will, welches Ziel hat Wladimir Putin, und was könnte ihn veranlassen, mit diesem Wahnsinn aufzuhören? Wir haben viel über die russische und die regionale Geschichte, Putins Weltbild und seine Visionen für das, was er als Restauration der historischen Größe Russlands sieht, gelernt. Aber verstehen, begreifen lässt sich das, was jetzt in der Ukraine, was den Menschen dort passiert, dennoch nicht. Was hat Putin mit diesem Land, diesen zerstörten Städten, diesen Menschen vor?

Und wenn es doch irgendwann vorbei ist: Wie werden wir mit Putin umgehen, den man ja als Teil einer Verhandlungslösung – so unwahrscheinlich sie jetzt scheint – nicht übergehen können wird? Wird man die Bilder aus Mariupol einmal beiseiteschieben, womöglich, weil sie dann von noch schrecklicheren überdeckt sein werden? (Gudrun Harrer, 22.3.2022)