Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht bei der Soko Tape, einst von Andreas Holzer geleitet, eine "massive Befangenheit".

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Zwischen der Soko Tape und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist die Stimmung wieder einmal ziemlich unterkühlt: Die WKStA, konkret deren Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, hatte der polizeilichen Sonderkommission, wie berichtet, nach fast drei Jahren Zusammenarbeit alle Ermittlungsaufträge entzogen, weil sie deren Leitung für "massiv befangen" hält. Dagegen wehrt sich in einem Vermerk nun Soko-Tape-Leiter Dieter Csefan, der die Vorwürfe "auf das Entschiedenste zurückweist" und von "schlichtweg falschen" Darstellungen spricht.

Stein des Anstoßes waren Chats von hohen Beamten der Justiz, die vor einigen Wochen in den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss gelangt waren und über die dann zuerst der "Falter" berichtet hatte. In den Nachrichten überlegten der inzwischen suspendierte Justizsektionschef Christian Pilnacek sowie Hans Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Maßnahmen gegen die WKStA.

"Die Truppe ist das Letzte"

Schon damals, im Sommer 2019, ging es um einen Konflikt zwischen der WKStA und der damals frisch eingerichteten Soko Tape, die bei der Aufklärung rund um das Ibiza-Video mitarbeiten sollte. Ein anonymer Anzeiger hatte auf eine angebliche Parteinähe mehrerer Mitglieder der Soko hingewiesen, woraufhin die WKStA das prüfte und sich an den damaligen Justizminister Clemens Jabloner wandte. Zu diesem Zeitpunkt war die Atmosphäre zwischen der WKStA und ihren Vorgesetzten von der OStA Wien und dem Ministerium bereits schwer gestört: Die Dienstbesprechung vom 1. April 2019 zum Thema Eurofighter ("Daschlogts es") war eskaliert, die Niederschrift eines heimlich aufgenommenen Mitschnitts war publik geworden und hatte für einen Rieseneklat gesorgt.

Auch rund um den damaligen Streit zwischen WKStA und Soko Tape drangen Details rasch an die Medien. Deshalb schmiedeten Pilnacek und Fuchs, die sich ihrer gegenseitigen Unterstützung versicherten, Pläne, die undichte Stelle zu finden – die sie bei der WKStA vermuteten. Beginnen wollten sie bei einem bestimmten Oberstaatsanwalt. Man könne sich das "nicht gefallen lassen", schrieb Pilnacek; er werde am nächsten Tag mit einem hohen Beamten des Bundeskriminalamts sprechen, "ich stelle mir Observation vor". Man müsse "scharf eingreifen, die Truppe ist das Letzte". Beauftragen wollte Pilnacek die Staatsanwaltschaft Wien, die Soko Tape solle das Leak, also die undichte Stelle, finden.

Das ominöse "Risikomanagement"

Doch der damalige Chef der Soko Tape, Andreas Holzer (heute Chef des Bundeskriminalamts, BK), war dafür zunächst nicht zu haben. Für Ermittlungen in Richtung "Verletzung des Amtsgeheimnisses" sei das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) zuständig, schrieb Holzer an Fuchs, der die Nachricht gleich an Pilnacek weiterleitete. Aber: "Vorerst begleitend kann ich das natürlich machen lassen", zeigte sich Holzer kooperationswillig.

Der Chef der OStA Wien rückte die Angelegenheit in seiner Antwort so zurecht: Er sehe das Vorhaben "aktuell eher als Maßnahme des begleitenden Risikomanagements und weniger als Ermittlungen", meinte Fuchs, zudem könnte das "dann allenfalls ermittelnde BAK eine gute Dokumentation sicherlich schätzen". Dort hatte man übrigens zu dieser Zeit schon einen ganz anderen Verdacht: Frühere Mitarbeiter des Verfassungsschutzes hätten Infos geleakt – ein Eindruck, der sich in späteren Ermittlungen verfestigen sollte.

Für WKStA-Chefin Vrabl-Sanda führten diese nun bekannt gewordenen Chats, die für sie auf "Geheimermittlungen" der Soko gegen Mitarbeiter der WKStA hindeuten, zu einem "irreparablen Vertrauensverlust", wie sie am 16. März in einer Note an die Soko-Leitung schrieb. Eine weitere Zusammenarbeit komme daher nicht in Betracht, vielmehr scheine eine "straf- und dienstrechtliche Aufarbeitung unerlässlich". Fazit: Entziehung der Ermittlungsaufträge.

"Verwunderung und Entsetzen"

Bei Csefan, ihrem Gegenüber bei der Soko, löste das "große Verwunderung und Entsetzen" aus. Die Vorwürfe seien "falsch", die behaupteten Ermittlungen nicht einmal in "Erwägung gezogen" worden. "Bei dem zitierten 'Risikomanagement' wurden – wie bei sämtlichen Ermittlungsverfahren – lediglich die Erscheinungsdaten von veröffentlichten Akteninhalten – gemeinsam mit Ihren Oberstaatsanwält*innen (!) – den Zeitpunkten von durchgeführten Akteneinsichten oder Anlieferungen" an den U-Ausschuss "gegenübergestellt", um die undichte Stelle einzugrenzen, schrieb der Soko-Chef. Trotz der "haltlosen" Vorwürfe werde er aber "selbstverständlich" die Anordnungen der WKStA-Leiterin umsetzen.

Wie es nun weitergeht? Über die Zusammenarbeit der WKStA mit der Kriminalpolizei würden nun ressortübergreifend Gespräche geführt, heißt es aus der WKStA. Die rechtliche Situation ist ein Novum: Denn eine Staatsanwaltschaft kann sich nicht aussuchen, welche Polizeieinheit für sie ermittelt. Aber sie kann Ermittlungsaufträge zurückziehen oder ausschließlich selbst ermitteln. Viel Gesprächsstoff also für die Befragungen im U-Ausschuss, die nächste Woche unter anderem mit WKStA-Chefin Vrabl-Sanda weitergehen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 22.3.2022)