Am 19. April wird der Wiener Marko Arnautovic 33 Jahre alt. Für Österreich hat er bisher 32 Treffer erzielt.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Es ist eine lieb gewordene Tradition, dass Marko Arnautovic vor jedem Länderspiel spricht. Das ist mitunter spannender und erfolgreicher als die Partie selbst, aber das weiß man erst im Nachhinein. Seit gut zwei Jahren stellt er sich den Fragen per Zoom, blöde Pandemie, österreichische Fußballer werden vorsichtshalber abgeschottet. Er winkt kurz in die Kamera, sagt "Grüß euch". Und sitzt einfach da.

Dienstagmittag war es wieder so weit, Hintergrundgespräche beginnen mit einem beinharten "Wie geht’s?". Und was er von der Partie am Donnerstag in Cardiff gegen Wales erwartet. "Wenn man mich kennt", sagte Arnautovic, und man kennt ihn nach 96 Länderspielen und 32 Toren bestens, "weiß man, dass ich immer 100 Prozent motiviert bin. Diesmal sind es ein paar Prozent mehr." Nachvollziehbare Begründung: "Ich will unbedingt zu einer WM, die Zeit ist reif. Ich bin fast 33, es ist die letzte Chance, ich will das erleben. Wer weiß, wie lange mein Köper mitspielt."

In Arnautovics Stimme war ein leichtes Krächzen zu vernehmen. Keine Sorge, negativ (er hatte Corona vor einigen Wochen praktisch ohne Symptome), eine zu vernachlässigende Verkühlung. Ob es das wichtigste Länderspiel seiner Karriere ist? "Ja, weil es das Nächste ist." Spaß beiseite. "Es hat sicher einen anderen Wert." Was nicht nur Arnautovic klar ist: Der Verlierer hat die WM in Katar souverän verpasst, der Sieger trifft im Juni auf Schottland oder die Ukraine. Da geht es um die letzte Fahrkarte.

Ball am Fuß

Teamchef Franco Foda ist der Informationspflicht nachgekommen, Wales wurde analysiert. Arnautovic hat selbstverständlich brav zugehört, prinzipiell vertritt er aber folgende Ansicht: "Wales soll sich auf uns einstellen. Es kommt darauf an, wie wir auftreten." Anderseits sei klar, "dass auch sie unbedingt zur WM wollen. Aber wir haben ein Wörtchen mitzureden." Der Gegner genieße Heimvorteil, werde kämpfen, laufen, mit langen Bällen operieren. "Wir werden kombinieren, gemeinsam agieren, offensiv und defensiv. Wir sind gut, wenn wir den Ball an den Füßen haben."

Ob man den Geist von der EM, vom Londoner Achtelfinale gegen Italien, das nach Verlängerung quasi heroisch 1:2 verloren ging, abrufen müsse? "Ich glaube nicht an Geister. Aber das Spiel ist wichtiger, denn eine WM ist das Maximum."

Über den walisischen Topstar Gareth Bale äußerte sich Arnautovic respektvoll und bündig. "Hut ab, er ist aber auch nur ein Mensch. Es interessiert mich wenig, ob er gut oder schlecht drauf ist."

Arnautovic ist in Bologna längst angekommen, er hat in der Serie A neun Tore erzielt. Italienische Medien bezeichnen ihn als "Unterschiedsspieler", das kann man aufs Nationalteam münzen. Ob er die Rolle als Lust oder Last empfindet? "Das interessiert mich wenig, ich lese keine Zeitungen, obwohl ich Respekt vor eurem Beruf habe. Ich denke, ich kann jeder Mannschaft helfen. Ich sehe mich als größerer Bruder, nicht als Anführer."

Er hat in Wien mit jedem seiner teils weitaus jüngeren Brüder gesprochen. Mitunter reichte ein Blick tief in die Augen, um zur erfreulichen Erkenntnis zu gelangen. "Jeder ist happy, jeder ist heiß. Jeder will zur WM. Das freut mich. Sehr viele haben auch in den Klubs viele Entscheidungsspiele gehabt. Die wissen, damit umzugehen."

Das Leben des Marko Arnautovic ist "super". Die Zeit in China hat er verarbeitet. Zwei Jahre konnte er weder Ehefrau noch seine beiden Töchter sehen. "Das war hart. Familie ist für mich das Wichtigste. Wenn ich in Italien vom Training heimkomme, wartet wer auf mich. In Schanghai war niemand da."

Tägliches Gebet

Der Krieg in der Ukraine macht ihn "fassungslos. Ein Wahnsinn, was in unserer Nähe passiert. Da findet man keine Worte." Seine Frau Sarah schickt Hilfsgüter, unter anderem Schlafsäcke, an die polnische Grenze. "Man kann nur helfen. Ich bete jeden Tag zu Gott, dass der Krieg vorbeigeht." Arnautovic winkte in die Kamera, ging ab.

Dienstagabend wurde im Happel-Stadion trainiert, der Abflug nach Cardiff erfolgt Mittwochvormittag. Das Match am Donnerstag (20.45 Uhr, ORF 1) wird laut Arnautovic "extrem spannend". (Christian Hackl, 22.3.2022)