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Bei der Wahl im April soll eine Einmischung von außen ver- oder zumindest behindert werden. Auf Initiative von Präsident Emmanuel Macron wurde ein Gesetz für eine "erhöhte Transparenzpflicht in Wahlkampfzeiten" verabschiedet.

Foto: Gonzalo Fuentes/Pool via AP

Man stelle sich vor: Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl geht das Gerücht um, Emmanuel Macron sei homosexuell, Liebhaber eines Pariser TV-Intendanten. Zwei Tage vor dem Urnengang – genau dann, wenn die Mediendebatte offiziell endet – werden dazu 20.000 Mails aus Macrons Umfeld geleakt. Genau dieser Beeinflussungsversuch fand bei der letzten französischen Präsidentenwahl 2017 wirklich statt. Seine Spuren führten ins rechtsextreme Milieu und von dort nach Moskau, zur Hackergruppe "Fancy Bear", die dem russischen Geheimdienst nahestehen soll. Der Angegriffene wurde trotzdem gewählt.

Heute führt Wladimir Putin offen Krieg. "Die Invasion in der Ukraine erfolgt auch mit Cyberattacken auf die nationalen Infrastrukturen, und warum nicht auch im Ausland?", sagt Cédric O, der Staatssekretär für Digitales. "Frankreich hat deshalb seine digitale Alarmstufe erhöht. Wir sind äußerst wachsam."

Nato-Spaltungsversuch

Frankreich befindet sich im russischen Visier, weil es eine gewisse Distanz zur Nato wahrt. Das macht Paris für Putin zu einem wichtigen Ansatzpunkt, um die atlantische Allianz zu spalten. Und wäre es in der Präsidentschaftswahl von 2017 gelungen, Macron mit einer Schmutzkampagne auszuschalten, wären wohl ausgesprochene Putin-Versteher ins Élysée eingezogen: Hinter dem Wahlsieger lagen die Rechtspopulistin Marine Le Pen und der konservative Ex-Premier François Fillon auf Platz zwei und drei.

Bei der Wahl im April soll eine Einmischung von außen ver- oder zumindest behindert werden. Auf Initiative Macrons hat die Nationalversammlung schon vor längerem ein Gesetz für eine "erhöhte Transparenzpflicht in Wahlkampfzeiten" verabschiedet. Der Medienaufsichtsrat CSA kann ferner auswärtige Anbieter blockieren, wenn sie berufsethische Regeln verletzen. Im Ukraine-Krieg hat er prompt die frankophonen Ausgaben der prorussischen Propagandaportale Sputnik und RT sperren lassen.

Spezialeinheit im Einsatz

Seit letztem Oktober kämpft in Paris zudem eine Spezialeinheit namens Viginum gegen Desinformation und Cyberattacken. Einem Verteidigungsgremium unterstellt, sensibilisiert sie die Präsidentschaftskandidaten; außerdem überwacht sie das soziale Netz und wehrt Fake-News-Attacken ab.

Unter den 60 Mitarbeitenden sind keineswegs nur Informatiker, sondern auch Linguistinnen und Textanalytiker. Sie forschen nach fremd klingenden Beiträgen in sozialen Medien. "Vor ein paar Jahren kamen vor allem Roboter zur Massenverbreitung von Fake News zum Einsatz", sagt David Olivier von der IT-Beraterin Sopra Steria. "Heute sind die Desinformationskampagnen stärker menschengemacht. Sie lassen sich oft nur noch aufspüren, indem der Tonfall der Meldungen oder ihre Sprache analysiert werden."

Hoher Personalaufwand

Die Kampagnen aus russischen Quellen sind damit – wie die Abwehrversuche in Frankreich – zunehmend personalaufwendig. Das könnte erklären, warum es bisher zu keinen massiven Attacken gekommen ist: Die russischen Hacker sind momentan voll mit der Ukraine beschäftigt und müssen sich ihrerseits gegen westliche Anonymous-Piraten wehren.

Frankreich scheint derzeit besser gewappnet. Dafür fördert der Ukraine-Krieg das Bewusstsein für eine unangenehme Erkenntnis: Die Cyberkampagnen zur Destabilisierung und Desinformation westlicher Wahlen sind Teil einer umfassenden, nicht mehr nur militärischen Kriegsführung. Sie vermittelt der französischen Bevölkerung das Gefühl, dass ihre rundum demokratischen Wahlen irgendwie selber mit dem Krieg zu tun haben. Mit einem hybriden Krieg zwar, aber trotzdem. (Stefan Brändle aus Paris, 23.3.2022)