Viele geflüchtete Frauen aus der Ukraine können über Pflegeberufe am österreichischen Jobmarkt Fuß fassen.

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Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk mehr als 3,5 Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, aus dem Land geflüchtet – die meisten von ihnen in Nachbarländer wie Polen, Moldau, die Slowakei, Ungarn und Rumänien. Wie viele davon sich in Österreich auf Jobsuche begeben werden, sei noch schwer zu prognostizieren, sagt ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den heimischen Jobmarkt seien noch nicht seriös abschätzen.

Für Kocher sind "einige Zehntausend durchaus die Untergrenze. Das kann sich auch rasch ändern." Das Arbeitsmarktservice sei jedenfalls gerüstet. Um in Österreich arbeiten zu können, benötigen ukrainische Flüchtlinge eine blaue Aufenthaltskarte für Vertriebene und eine Beschäftigungsbewilligung durch das Arbeitsmarktservice (AMS). Dessen Chef Johannes Kopf rechnet damit, dass nicht einmal die Hälfte der Vertriebenen beim AMS vorstellig werde. "Aktuell kommen etwa zu einem Drittel Menschen im Pensionsalter und zu zwei Dritteln Frauen mit Kindern", sagt er gegenüber der "Presse". Kopf räumt den geflüchteten Frauen aus der Ukraine bessere Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt ein, als das bei Afghaninnen und Syrerinnen der Fall war.

In Muttersprache

Von den derzeit 65.000 in der Bundeshauptstadt als arbeitslos gemeldeten oder in Schulung befindlichen Frauen haben laut AMS-Wien-Chefin Petra Draxl 45.000 einen Migrationshintergrund, der vor allem Serbien, Syrien und die Türkei betrifft. Gegensteuern will sie mit Einrichtungen, in denen in Muttersprache beraten wird.

Die Bedeutung der Betreuung von Kindern, um Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sehen alle. Für Draxl steckt dieser Bereich "noch immer im 20. Jahrhundert". Frauen hätten noch immer Probleme, eine Betreuung oder eine Schule zu finden, die es Frauen erlaubt, einer Arbeit nachgehen zu können.

"Die Regierung muss Geld in die Hand nehmen", fordert Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl, der Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr vorschwebt. "Das bedeutet, wir brauchen mehr Pädagoginnen und Bildungseinrichtungen", sagt Anderl und verweist auf dadurch geschaffene Jobs.

Corona brachte Rückschritt

Während sich die Lage am Arbeitsmarkt insgesamt weiterhin entspannt, habe sich jene der Frauen Anderl zufolge in den zwei Corona-Jahren verschlechtert. Sie seien stärker in alte Rollenmodelle – Frauen kümmern sich um Kinder und Haushalt – gedrängt worden, als Schulen und Kindergärten geschlossen waren. Die Folge: Alleinerziehende Mütter würden nun stärker am Arbeitsmarkt diskriminiert, als dies vor der Pandemie der Fall gewesen sei.

Für die aus der Ukraine nach Österreich flüchtenden Frauen erwartet Anderl, dass diese am Arbeitsmarkt entsprechend ihren Qualifikationen und ihrer Ausbildung eingesetzt werden. "Ich möchte nicht, dass wir sie unter den Erntehelfern finden", betont die Arbeiterkammerpräsidentin.

Lohn- und Sozialdumping

Die Warnung der Gewerkschaft vor Lohn- und Sozialdumping durch Unternehmen nimmt auch Arbeitsminister Kocher ernst und droht mit "maximalen Strafen". Es gelte aufzupassen, dass "kein Sektor der informellen Beschäftigung entsteht". Der Arbeitsminister stellt Finanzpolizei und Krankenkassen auf Mehrarbeit bei den entsprechenden Kontrollen ein.

Im Wochenabstand ist die Zahl der beim AMS gemeldeten Arbeitslosen um zwei Prozent auf 336.650 Personen gesunken, der Arbeitsmarkt entwickelt sich Kocher zufolge also gut. Noch, denn durch den Krieg und die Russland-Sanktionen befürchtet er Zweitrundeneffekte, die das Wirtschaftswachstum in Österreich verringern und der Rückgang der Arbeitslosigkeit verlangsamen. Diese werden seiner Einschätzung nach schwerer wiegen als die direkten Auswirkungen. (Regina Bruckner, Alexander Hahn, 22.3.2022)