Mit steigenden Strom- und Gaspreisen wird Stahlerzeugung zunehmend unrentabel – nicht bei den mit Koks befeuerten Hochöfen, aber bei Elektroöfen und in der Verarbeitung.

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Wien – Das eilig zusammengezimmerte Energiekostenpaket dürfte nicht so bleiben, wie es am Sonntag präsentiert wurde. So viel steht vor dem Sozialpartnergespräch am Mittwochnachmittag fest. Da treffen sich die Spitzen der Sozialpartner und Industriellenvereinigung zu einem Teuerungsgipfel mit der Regierung. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter wollen dabei ein gemeinsames Forderungspaket präsentieren, um eine Entlastung von der hohen Inflationsrate und den hohen Energiekosten zu erwirken. Dabei soll es nicht nur um die Energiekosten gehen, sondern auch um Maßnahmen bei den Mietpreisen und der Kurzarbeit.

Am Mittwochvormittag wollen die Sozialpartner untereinander verhandeln, um ihre Forderungen abzustimmen. Sollte das gelingen, würde die türkis-grüne Koalition stark unter Druck kommen. Gegen eine gemeinsame Linie von ÖGB, Arbeiter- ,Wirtschafts-, Landwirtschaftskammer sowie Industriellenvereinigung ist in Österreich schwer anzukommen.

Welche konkreten Forderungen sind nun im Spiel? Ganz oben auf der Liste steht die mit Warnungen vor Produktionsstillstand garnierte Forderung der Industrie, das Energieentlastungspaket aufzuschnüren, zumindest aber zu erweitern.

Ausgesparte Industrie

Der Grund: Die energieintensive Industrie wurde de facto ausgespart, und das "muss dringend repariert werden", wie es ein Sozialpartner-Vertreter formuliert. "Die ersten Stahlwerke und Fabriken in Europa fahren ihre Elektroöfen und Bänder bereits herunter, weil sich eine Produktion unter diesen erdrückenden Strom- und Gaspreisen nicht mehr lohnt", warnt ein Industrieller, der in der Zeitung nicht namentlich genannt werden will.

Inwiefern wurde die Industrie ausgespart? Von der bis 30. Juni 2023 befristeten Senkung der Energieabgaben um 90 Prozent profitieren so gut wie alle Unternehmen in Österreich in unterschiedlichem Maße, nicht aber Produktionsbetriebe, die hohe Prozessenergie benötigen, also Eisen-, Stahl- und Chemieindustrie, Maschinenbau, Metallverarbeitung, Gießereien, Feuerfest- und Glasherstellung. Sie sind im Wege der Energieabgabenrückvergütung großteils befreit von Energieabgaben und profitieren daher auch nicht von der Abgabensenkung im Volumen von 900 Millionen Euro. Das sorgt für viel Unmut und eine Gegenbewegung.

Laut Recherchen des STANDARD könnte der Industrie gemäß EU-Beihilfenrecht geholfen werden: Im Wege einer Strompreiskompensation nach deutschem Vorbild. Dabei werden Beihilfen für indirekte CO2-Kosten des Emissionshandels auf Basis produktspezifischer Stromverbrauchseffizienz-Benchmarks ermittelt und gemäß dem EU-Allowances-Preis ein gewisser Prozentsatz an jene Unternehmen refundiert, die Player im CO2-Emissionshandelssystem sind und rasch aus der EU abwandern könnten. Ausgenommen sollen Energieversorger sein. Sie leiden zwar auch unter hohen Gaspreisen, machen dank hoher Strompreise aber Gewinne.

Auch beim Gas wünschen sich Großverbraucher den Staat als Mitzahler, in welcher Form, war am Dienstagnachmittag noch nicht klar. Die EU-Tool-Box biete Instrumente, die keiner gesonderten Notifizierung bedürften, heißt es.

Autofahrer im Fokus

Ein weiterer großer Punkt: die Entlastung der Autofahrer. Arbeiterkammer und ÖGB fordern die Umwandlung der Pendlerpauschale von einem Frei- in einen Absetzbetrag. Damit würden Besserverdiener weniger bevorzugt werden. Einig mit der Wirtschaftskammer sind die Arbeitnehmervertreter bei der Forderung nach einer Senkung der Mineralölsteuer (MÖSt), was die Industrie allerdings als ökologisch falsches Signal ablehnt.

Ein großer Punkt bei AK und ÖGB sind die Mieten: Mit 1. April steht ja eine Erhöhung der Mietrichtwerte um bis zu sechs Prozent an. Diese Erhöhung wurde im Vorjahr ausgesetzt. Hier wollen die Sozialpartner wieder einen staatlichen Eingriff.

Direkt in Zusammenhang mit der Entlastung der Industrie steht die Kurzarbeit. Stehen die Bänder still, wackeln Jobs. Deshalb macht der ÖGB Druck, die im Juni auslaufende Corona-Kurzarbeit zu adaptieren. Der größte Brocken dabei: die Ersatzrate für Arbeitnehmer. Sie soll nach Wunsch der Gewerkschaft auf 90 Prozent erhöht werden – egal wie viele Wochenstunden gearbeitet werden. Bisher waren es je nach Einkommen 80, 85 oder 90 Prozent.

Dabei beim Teuerungsgipfel ist auch Ingrid Korosec (ÖVP) als Vorsitzende Präsidentin des Österreichischen Seniorenrats. 2,4 Millionen Seniorinnen und Senioren seien in dem am Sonntag vorgestellten Energiepaket nicht berücksichtigt, sagt Korosek. Auch deren Forderungen gehen über Energiekosten hinaus, man fordert eine zeitlich befristete Senkung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel und Energie sowie der Mineralölsteuer und eine Erhöhung der Pensionistenabsetzbeträge. Viele ältere Menschen besonders in ländlichen Regionen seien auf das Auto angewiesen und litten gleichermaßen unter hohen Benzin- und Dieselpreisen. Auf SPÖ-Seite betont man, dass die Pensionserhöhung um 1,8 Prozent bei weitem nicht mehr der Inflationsrate entspreche, daher brauche es dringend vor allem für Mindestpensionen einen Teuerungsausgleich. (Luise Ungerboeck, András Szigetvari, 22.3.2022)