Privatisierungen wie vor 20 Jahren stehen in der Öbag nicht mehr auf der Agenda, nur mehr Beteiligungsmanagement.

Foto: Christian Fischer

Wien – Kaum zwei Monate in Funktion, korrigiert die Chefin der Staatsholding Öbag, Edith Hlawati, Weichenstellungen. Diesfalls zurück, denn die langjährige Wirtschaftsanwältin und Öbag-Beraterin räumt die am Markt bisweilen als großspurig kritisierten Pläne ihres Vorvorgängers Thomas Schmid zumindest teilweise ab. "Beim Neugeschäft werden wir nicht aktiv in den Markt gehen und Beteiligungen einwerben", stellt Hlawati anlässlich ihres ersten Pressegesprächs klar.

Schmid und sein damaliger Weggefährte Bernhard Perner wollten das Beteiligungsmanagement äußerst offensiv anlegen. Sie hatten im Lichte wirtschaftlicher Schäden durch die Corona-Pandemie Verstaatlichungspläne gewälzt und zu diesem Behufe eine Liste mit hundert strategisch wichtigen Betrieben erstellt, bei denen der Staat notfalls einsteigen könnte – Start-ups inklusive. Die Liste ist inzwischen ad acta gelegt.

Nicht auf Einkaufstour

Start-up-Förderung sei bei der Förderbank Austria Wirtschaftsservice bestens aufgehoben, betonte Hlawati, die die Öbag und ihre Vorläuferorganisationen unter 13 Finanzministern beraten hat. Die Österreichische Beteiligungs AG gehe nicht auf Einkaufstour, stehe aber als "Weißer Ritter" bereit, um Schlüsselunternehmen vor Übernahme oder Verkauf ins EU-Ausland zu schützen. Man suche Minderheitsbeteiligungen aber nicht offensiv. Es gebe durchaus Fonds, für die staatliche Ankeraktionäre attraktiv seien.

Edith Hlawati, die erste Frau an der Spitze der Staatsholding Öbag.


Foto: Christian Fischer

Über das notwendige Kleingeld verfügt die Staatsholding dank dividendenstarker Beteiligungen wie OMV, Telekom Austria, Post oder Verbund AG, die ebenfalls unter dem Dach der Öbag ist. Bis zu eine Milliarde Euro sei im Fall des Falles mobilisierbar, hieß es stets, für Garantien, Haftungen oder Beteiligungen. Auch das im Öbag-Gesetz vorgesehene international besetzte Investmentkomitee gibt es. Nun wird eine neue Liste mit potenziell interessanten Unternehmen erstellt "Aber Herr der Dividende ist der Finanzminister", stellte Hlawati klar.

Telekom und Co

Zu den anstehenden Vorhaben mit höchster Priorität gehört der Syndikatsvertrag mit América Móvil (Amov), dem kontrollierenden Aktionär der Telekom Austria (TA). Der beim Einstieg der Mexikaner 2014 geschlossene und damals heftig kritisierte Pakt läuft 2024 aus. Die Karten der Öbag in den Verhandlungen sind nun deutlich schlechter, denn Amov hält inzwischen mit 51 Prozent nicht nur ein deutlich größeres Aktienpaket, es wurden im Juli 2016 weitere 7,8 Prozent in einer Anleihe geparkt, die in TA-Aktien gewandelt werden können.

Mit dieser Konstruktion hatte der mexikanische Großaktionär seinen im Zuge einer Kapitalerhöhung auf knapp 60 Prozent hochgeschnellten Anteil wieder auf 338.895.000 Stück Aktien oder 51 Prozent reduziert und so den Streubesitz gemäß Syndikatsvertrag wieder erhöht.

Headquarter und Arbeitsplätze

Zu dessen Fixpunkten gehört auch Standortrelevantes wie das Listing an der Wiener Börse, das Headquarter, die Investitionen, die Arbeitsplätze und der Betrieb sicherheitsrelevanter Netze für die Republik Österreich. Und: die Besetzung des Generaldirektors und des Aufsichtsratsvorsitzes, den Hlawati innehat. Sie habe ein gutes Verhältnis zu América Móvil, der Partner schätze die TA-Beteiligung, betont Hlawati. "América Móvil hat die Kontrolle, das ist so."

Aktuell beschäftigen die Eigentümer die Ausgliederung der Mobilfunkmasten in eine eigene Gesellschaft und ein allfälliger Verkauf dieser kritischen Infrastruktur, die dann für den operativen Betrieb zurückgemietet würde. Eine solche Transaktion, die zahlreiche Telekomkonzerne in Europa und der ganzen Welt – auch Amov – bereits durchgeführt haben, sei äußerst komplex, warnt die Öbag-Chefin. Man denke deshalb in Szenarien, die Entscheidung sei nicht gefallen.

Post braucht Bank

Bei der mehrheitlich staatlichen gelben Post verteidigt Hlawati den Aufbau der Bank 99 – obwohl Österreich notorisch "overbanked" ist. Für die Auslastung der vom Regulator vorgeschriebenen Mindestzahl an Post-Filialen sei ein Zahlungsinstitut wichtig. Mit der Übernahme der Kunden von ING habe man nun einen Riesenschritt gemacht, "wir sind auf der Autobahn". (Luise Ungerboeck, 24.3.2022)