Madeleine Albright prägte die US-Außenpolitik nach Ende des Kalten Krieges maßgeblich.

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Madeleine Albright, die unter Präsident Bill Clinton als erste US-Außenministerin im Amt war, ist am Mittwoch an einer Krebserkrankung gestorben. Das teilte ihre Familie in einer Stellungnahme auf Twitter mit. Sie wurde 84 Jahre alt.

Albright galt als zentrale Figur der Clinton-Regierung: Zunächst diente sie als US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. In Clintons zweiter Amtszeit führte Albright ab 1997 als erste Frau das Außenministerium, wodurch sie die bis dahin ranghöchste Frau in einem US-Regierungsamt wurde. Albright bezeichnete sich selbst als "pragmatische Idealistin". Sie sah die USA als die "unverzichtbare Nation", wenn es darum gehe, mit Diplomatie, aber auch militärischer Macht demokratische Werte zu verteidigen.

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Vor ihrer Amtszeit als Außenministerin warb Albright als US-Botschafterin bei der Uno für Amerikas Interessen. Hier zu sehen im Jahr 1994.
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Sie war eine resolute Diplomatin in einer Regierung, die zögerte, sich in die größten außenpolitischen Krisen der 1990er-Jahre einzumischen – die Völkermorde in Ruanda und Bosnien-Herzegowina. Die 1937 in Prag geborene Diplomatin setzte sich aber mit Nachdruck für die Nato-Osterweiterung ein. Als die Bemühungen um eine Einigung im Kosovo-Konflikt mit dem damaligen Serben-Präsidenten Slobodan Milošević gescheitert waren, warb sie erfolgreich für Nato-Luftangriffe im ehemaligen Jugoslawien. Albright versuchte sich auch an den dicken Brettern der Außenpolitik, darunter bessere Beziehungen zu Russland und Frieden im Nahen Osten, konnte dabei allerdings keine großen Ergebnisse vorweisen.

Als im April 2000 das US-Repräsentantenhaus in einer Resolution sein "tiefes Bedauern" über die Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Regierung ausdrückte, wies Albright darauf hin, dass die Regierung "mittels einer demokratischen Wahl" zustande gekommen sei und "an ihren Taten gemessen" werden solle. Albright blieb bis zum Ende von Clintons zweiter Amtszeit im Jänner 2001 Außenministerin.

Albrights Werdegang

Die Politologin hatte 1959 ihren Studienfreund Joseph Albright, den Erben eines Medienunternehmens, geheiratet. Mit ihm hatte sie drei Töchter, nach 23 Ehejahren ließen sich die Albrights scheiden.

1975 begann Albright ihre politische Karriere. Ab 1982 lehrte sie in Washington an der renommierten Universität Georgetown und beriet verschiedene demokratische Kandidaten – darunter Clinton, der sie nach seinem Wahlsieg Ende 1992 umgehend an Bord holte.

In Anspielung auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erklärte Clinton am Mittwoch, "Madeleines Tod ist ein immenser Verlust für die Welt – und das zu einer Zeit, in der wir die Lehren ihres Lebens am meisten brauchen". Albright sei eine der besten Diplomatinnen, eine brillante Professorin und ein "außerordentlicher Mensch" gewesen, erklärte Clinton. Als Außenministerin sei sie eine "leidenschaftliche Vertreterin von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten" gewesen, betonte er.

Zur Rechten von Präsident Bill Clinton sitzt die damalige Außenministerin Madeleine Albright.
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Auch nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung 2001 und der Rückkehr als Professorin an die Universität Georgetown zog Albright sich nicht aus der Politik zurück. Sie gründete eine globale Beratungsfirma, die auch Joschka Fischer zu ihren Experten zählte. Zudem meldete sie sich immer wieder mit beißender Kritik an der Außenpolitik zu Wort, etwa zum von Präsident George W. Bush angezettelten Irak-Krieg. Vor der Präsidentenwahl 2008 hatte Albright zunächst auf die Demokratin Hillary Clinton gesetzt, unterstützte dann aber den siegreichen Barack Obama. Dieser verlieh ihr 2012 als Präsident die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Auszeichnung der USA.

Am Mittwoch erklärte Bush, Albright habe sich als Ministerin ausgezeichnet für Freiheitsrechte und Frieden eingesetzt. Als Tochter von Flüchtlingen habe sie "den amerikanischen Traum gelebt und anderen geholfen, diesen zu verwirklichen", erklärte der Republikaner. Auch der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, lobte den "hingebungsvollen Einsatz" der Demokratin für US-Interessen.

US-Präsident Donald Trump warf sie vor, das Land zu spalten und der Demokratie zu schaden. "Er ist der undemokratischste Präsident in der modernen Geschichte der USA", sagte Albright etwa 2018. Trumps Verachtung für die Medien und institutionelle Strukturen gefährde die Stabilität des Landes. "Dagegen müssen wir etwas unternehmen", mahnte die damals 81-Jährige bei einer Diskussionsrunde zu ihrem Buch "Faschismus. Eine Warnung". Die Demokratie dürfe nicht als selbstverständlich angesehen werden.

Warnung an Putin

Kurz vor ihrem Tod fand Albright noch harte Worte für Russlands Präsident Wladimir Putin, einen Tag vor Beginn des russischen Angriffskriegs. "Ein Einmarsch in die Ukraine würde nicht Russlands Weg zur Größe ebnen, sondern Herrn Putins Ehrlosigkeit besiegeln, indem er sein Land diplomatisch isoliert, wirtschaftlich angeschlagen und strategisch verwundbar gegenüber einem stärkeren, geeinten westlichen Bündnis macht", schrieb sie in einem Gastbeitrag in der "New York Times". Wenn Herr Putin sich in die Ecke gedrängt fühle, könne er sich dafür nur selbst die Schuld gegeben. Die Ukraine habe ein Recht auf ihre Souveränität, unabhängig davon, wer ihre Nachbarn sind, so Albright. "Im modernen Zeitalter akzeptieren große Länder das, und das muss auch Herr Putin akzeptieren."

Auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sprach der Familie Albrights online sein Beileid aus.

Jüdische Herkunft

Aufmerksamkeit erregte auch Albrights Aufarbeitung der Geschichte ihrer Familie – von der die Politikerin jahrzehntelang gar nichts gewusst hatte. Sie wurde am 15. Mai 1937 als Marie Jana (genannt Madlenka) Korbelova in Prag als ältestes von drei Kindern einer jüdischen Diplomatenfamilie geboren. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wanderte die Familie nach England aus, wo Albright in Unwissenheit ihrer jüdischen Herkunft katholisch erzogen wurde.

Ihr Vater Joseph Korbel diente nach dem Zweiten Weltkrieg der Tschechoslowakei als Diplomat. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Prag beantragte die Familie 1948 Asyl in den USA und wanderte aus. Von ihrer jüdischen Abstammung und der Ermordung Angehöriger, darunter drei ihrer Großeltern, in Konzentrationslagern der Nazis erfuhr Albright aber erst 1996. "Ich hatte keine Ahnung, dass ich aus einer jüdischen Familie stammte, geschweige denn, dass über 20 Verwandte von mir den Holocaust nicht überlebt hatten", schrieb sie im Buch "Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg". (red, APA, Jürgen Bätz, 23.3.2022)