Seit Corona ist das mit dem Freundlichsein gar nicht mehr so einfach. Darf man der älteren Dame, die mit drei schweren Einkaufssackerln wie bestellt und nicht abgeholt vorm Supermarkt in Hornstein steht, anbieten, sie mit dem Auto nach Hause zu führen? Es ist eine Gratwanderung, doch sie geht gut aus. "Mei, das ist lieb", sagt sie, sei aber nicht notwendig, weil der Ortsbus eh gleich komme. Sie müsse nämlich noch zur Apotheke, weil das Enkerl, wenn es heute von der Schule komme ... – Sie können sich in etwa vorstellen, wie die Minuten vergingen, bis der weiße, elektrisch angetriebene Bürgerbus leise am Supermarktparkplatz einrollte.

Seit 2019 betreibt die Gemeinde Hornstein im Burgenland diesen Bus. In der Früh und am Nachmittag werden damit Kinder in die Schule respektive nach Hause gebracht. Sonst ist der Bus als Ruftaxi unterwegs. Von Montag bis Freitag, von sieben bis 17 Uhr. Eine Fahrt kostet 1,50 Euro im Ort, zwei Euro runter die Seesiedlung am Neufelder See. In den heißen Ferienmonaten fährt der Bus nur bis 13 Uhr. Dafür war er im vergangenen Sommer, von Donnerstag bis Samstag, auch im Probebetrieb als Heurigenbus nach Leithaprodersdorf und Loretto unterwegs. Leithalandbus hieß das Projekt. Und geht es nach dem Hornsteiner Bürgermeister Christoph Wolf (ÖVP), dann soll der Bus bald wieder gemeindeübergreifend fahren. Auch bis nach Neufeld.
Wenn die Politik reinspielt
Weil es keine direkte öffentliche Anbindung an den Bahnhof im Nachbarort gibt, lässt er den Hornsteiner Ortsbus nun bei Bedarf auch ohne Kooperation dorthin fahren. Doch jetzt wird es kompliziert und politisch.
Neufeld hat einen roten Bürgermeister. Christoph Wolf ist von der ÖVP und hat die ewig rote Gemeinde Hornstein bei der vergangenen Wahl gedreht. Darum redet er sich auch leichter mit den Bürgermeistern von Leithaprodersdorf und Loretto. Beim ersten Versuch im vergangenen Jahr, den Leithaland-Bus im Probebetrieb fahren zu lassen, hätten allerdings auch die roten Gemeinden Neufeld und Wimpassing dabei sein sollen.

In Wimpassing drehte Ernst Edelmann gleichzeitig mit Christoph Wolf die Gemeinde, nur halt von Schwarz auf Rot. Er war von der Idee des Leithalandbusses auch über die Parteigrenzen hinweg angetan und hat sogar ein Budget dafür bereitgestellt. Abgerufen ist dieses Geld aber nie worden – und der Bus nie nach Wimpassing gefahren. Warum? Das kann sich keiner der beiden Bürgermeister erklären.
Die komplizierte Verrechnung
Anders sieht die Sache in Neufeld aus. Die Gemeinde wäre zwar auch grundsätzlich für das Projekt zu haben, ist aber mit dem Schlüssel, wie das finanziert werden soll, nicht zufrieden. Rechnet man, wie der Hornsteiner Bürgermeister Wolf das andenkt, die Anteile über die Einwohner pro Gemeinde aus, würden die Neufelder am meisten zahlen müssen – brauchen den Bus aber am wenigsten. Immerhin ist es so, dass wohl eher die Hornsteiner runter nach Neufeld an den See fahren als die Neufelder zum Kreisverkehr in Hornstein. "Nach Fahrgästen abzurechnen wäre aber schwierig", sagt Christoph Wolf. "Doch wenn das das einzige Problem ist, dann werden wir das lösen." Doch das ist nicht das einzige Problem.

Rund 200.000 Euro würde das Projekt Leithalandbus kosten. Schließen sich fünf Gemeinden an, gibt es dafür vom Land eine Förderung in Höhe von 30.000 Euro. Aktuell holt sich Hornstein als Einzelgemeinde 10.000 Euro an Förderung – das Maximum, das die Förderrichtlinien hergeben. Dabei kommt der Bus die Gemeinde auf rund 90.000 Euro im Jahr. "Da sind die Kosten für den Bus, das Personal und den Strom schon inkludiert", erklärt Christoph Wolf. "Mit den Fahrpreisen nehmen wir zwischen 4000 und 8000 Euro ein." Seit Corona schwanke die Zahl stark. Doch an seinem Ziel, einen überregionalen Bus zu installieren, hält er fest und erwartet sich Hilfe vom Land.
Dort gibt man sich allerdings recht zurückhaltend, und das Büro von Verkehrslandesrat Heinrich Dorner (SPÖ) verweist auf die erwähnten Förderrichtlinien. Spannend dabei ist aber eines: Im Grunde wollen das Land und der Hornsteiner Bürgermeister dasselbe. Zumindest kann man davon ausgehen, wenn man die Gesamtverkehrsstrategie des Burgenlandes anschaut, in der unter dem Namen "Burgenland Mobil" von elektrisch angetriebenen Bussen und Ruftaxis die Rede ist, die Regionen an Verkehrsknoten anbinden sollen. Es spießt sich allerdings wieder an den Parteifarben.

Das rote Land und der schwarze Bürgermeister – und Landtagsabgeordnete – lassen nur ungern eine Bühne aus, auf der sie sich zanken können.
Klima- und Energie-Modellregion
Zwar ist Hornstein mit acht anderen Gemeinden in der Klima- und Energie-Modellregion Leithaland zusammengeschlossen – und argumentiert auf dieser Basis auch den elektrisch angetriebenen Bus als perfekte Lösung für den Mikro-ÖV (öffentlichen Verkehr) – ganz nach dem Vorbild von Burgenland Mobil. Als die Energie Burgenland allerdings einen großen Solarpark zwischen Hornstein und Wimpassing errichten wollte, beschloss der Hornsteiner Gemeinderat aber ganz schnell, dass das nicht infrage kommt. Inzwischen hat Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) die Vergaberichtlinien für solche Solarprojekte im Burgenland geändert und die Kompetenzen ins Land verschoben.
Auf die Frage, ob der Hornsteiner Bürgermeister mit seinem Leithalandbus dem Land nicht ohnehin in die Hände spiele, heißt es aus dem Büro Dorner nur: "Betriebsstart von Burgenland Mobil ist Anfang 2023. Derzeit laufen die Vorbereitungsarbeiten für das Südburgenland." (Guido Gluschitsch, 24.3.2022)