Eigentlich hätte die deutsche Musikerin Ronja Maltzahn auf der nächsten Demonstration von Fridays for Future in Hannover auftreten sollen. Dazu wird es nun doch nicht kommen. Die Ortsgruppe der Klimaschutzbewegung lud die Musikerin wieder aus. Grund dafür: Maltzahn trägt als weiße Person Dreadlocks. Es handle sich um kulturelle Aneignung, ließ man sie wissen. Die Musikerin postete diese Instagram-Nachricht und ging damit prompt viral.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Frisur für Empörung sorgt. Seit einigen Jahren mehren sich die Fälle, in denen Personen wegen ihrer Haarpracht der kulturellen Aneignung bezichtigt werden. Manche Frisuren sind eben mehr als nur ein Style. Sie sind Teil der kulturellen Identität gewisser Gruppen. So empfinden es manche als respektlos, wenn sich Mitglieder der Dominanzgesellschaft Codes von Kulturen oder Minderheiten bedienen, die mit strukturellem Rassismus zu kämpfen haben: Die können Frisuren oder Kleidungsstücke nicht einfach wieder ablegen, sondern werden und wurden dafür diskriminiert.

Besonders laut ist der Aufschrei, wenn weiße Prominente aus der Popkultur etwa mit Kleidung oder Frisuren von afrikanischen, asiatischen oder indigen-amerikanischen Gruppen in Erscheinung treten, ohne sich für deren Gleichstellung einzusetzen. Hier einige Beispiele:

Dreadlocks

Für die verfilzten Strähnen gibt es aus allen Ecken der Welt historische Belege. Wikinger, Azteken oder Hindus trugen schon Dreadlocks – aus praktischen oder aus spirituellen Gründen. Oft werden sie aber mit den Kulturen schwarzer Menschen assoziiert. Für die Rastafari auf Jamaika fungierten die Dreadlocks unter anderem als Abgrenzungsmerkmal von den britischen Kolonialkultur. In Jugend- und Subkulturen wie Punk oder Grunge können sie als Ausdruck des Protests verstanden werden.

Fashion Feed

2016 schmückte der amerikanische Modedesigner Marc Jacobs überwiegend weiße Models wie Gigi Hadid mit künstlichen Dreadlocks in Pastellfarben. Nach anfänglichem Unverständnis entschuldigte sich der Designer später dafür.

Justin Bieber trug 2021 eine Frisur, für die er schon in der Vergangenheit kritisiert wurde: Der kanadische Popstar zeigte sich auf Instagram mit Dreadlocks. Schon 2016 wurde er für seine blondierten, verfilzten Haare der kulturellen Aneignung bezichtigt. Der Musiker scheint von der Kritik unbeeindruckt.

Cornrows

Bei den Cornrows handelt es sich um eine aus Afrika stammende Flechtfrisur: Die Haare werden dicht an der Kopfhaut entlang in Reihen oder Mustern geflochten. Für die Frisur müssen die Haare eine Mindestlänge von zehn Zentimetern aufweisen, durch die starke Zugbelastung kann die Flechtprozedur unangenehm sein. Lose Zöpfe werden als "Braids" bezeichnet. Auch die rund 30.000 Jahre alte Venus von Willendorf trägt sie, es handelt sich bei ihr um einen der ältesten Belege für die Flechtfrisur.

Kim Kardashian trug 2013 nicht nur Cornrows, sie bezeichnete sie auch als "Bo Derek Braids" – und vermittelte, dass die weiße US-Schauspielerin Urheberin dieser Frisur sei. Sie trug sie in den 1970er-Jahren, als kulturelle Aneignung noch kein Thema war. Es folgte eine Debatte, nicht nur in den Kommentaren der Social-Media-Plattform.

Bantu-Knots

Bei den Bantu- oder Zulu-Knots handelt es sich um eine Frisur aus der zentral- und südafrikanischen Bantu-Kultur: Einzelne Haarsträhnen werden gezwirbelt, zu einer "Schnecke" gedreht und an der Kopfhaut fixiert. Sie halten bis zu fünf Tage.

Popstar Adele löste im Sommer 2020 mit einem Instagram-Bild eine Rassismusdebatte aus. Die Britin trug zu einem Bikinioberteil mit aufgedruckter Jamaika-Flagge gelben Federschmuck, ihre Haare hatte sie nach Bantu-Art zu kleinen Zöpfen eingedreht. Ein klarer Fall von kultureller Aneignung, so der Vorwurf. Schließlich war Jamaika britische Kolonie. (red, 24.3.2022)