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Orale Verhütung blieb bisher den Frauen vorbehalten.

Foto: REUTERS/Noemie Olive

Ein US-amerikanisches Team, das an einem oralen Verhütungsmittel für Männer arbeitet, hat nun einen möglichen Durchbruch gemeldet. Das Mittel mit der Bezeichnung YCT529 habe bei Studien mit Mäusen zu 99 Prozent die erwünschte Wirksamkeit gezeigt, ohne dass es zu feststellbaren Nebenwirkungen gekommen sei, berichten die Forschenden um Abdullah Al Noman von der University of Minnesota beim Frühlingstreffen der American Chemical Society (ACS) in San Diego, Kalifornien.

Der Erfolg markiere einen wichtigen Schritt in Richtung einer gerechteren Verantwortungsverteilung bei der Empfängnisverhütung, erklärten die Wissenschafter der französischen Nachrichtenagentur AFP. "Viele Studien haben gezeigt, dass Männer daran interessiert sind, die Verantwortung für die Empfängnisverhütung mit ihren Partnerinnen zu teilen", sagte Noman. Bisher habe es nur zwei wirksame Optionen gegeben: Kondome oder eine Vasektomie.

Keine Hormone

Die Verhütungspille für Frauen basiert auf Hormonen, die den Menstruationszyklus beeinflussen. Bisherige Bemühungen, ein Äquivalent für Männer zu entwickeln, zielten auf das männliche Sexualhormon Testosteron ab. Das Problem bei diesem Ansatz waren allerdings die teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Depressionen und steigende Werten beim sogenannten Low-Density-Lipoprotein, was mit einem erhöhten Risiko für Herzerkrankungen einhergeht. Auch die seit den 1960er-Jahren erhältliche Antibabypille für die Frau kann schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen, darunter Thrombosen.

Im Unterschied dazu basiert YCT529 nicht auf Hormonen. Die Substanz dockt vielmehr an ein Protein namens Retinsäure-Rezeptor (RAR) alpha an. Im Körper wird Vitamin A in andere Moleküle umgewandelt, darunter auch Retinsäure, die eine wichtige Rolle beim Zellwachstum, der Spermienbildung und der Embryonalentwicklung spielt. Retinsäure muss mit RAR-alpha interagieren, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. Die nun präsentierten Laborexperimente haben gezeigt, dass Mäuse, bei denen RAR-alpha blockiert ist, steril bleiben.

Video: Briefing zum nichthormonellen oralen Verhütungsmittel für den Mann.
American Chemical Society Meeting Newsroom

Reversible Wirkung

Vier Wochen lang haben die Forschenden den Versuchsmäusen das Mittel YCT529 oral verabreicht. Das Ergebnis: Die Spermienanzahl der männlichen Mäuse reduzierte sich drastisch, und eine Befruchtung konnte zu 99 Prozent verhindert werden. Vier bis sechs Wochen nach der Absetzung des Mittels waren die Mäuse wieder zeugungsfähig. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter überwachten dabei Gewicht, Appetit und allgemeine Aktivität, fanden aber keine offensichtlich nachteiligen Auswirkungen der Substanz.

Der Weg bis YCT529 war kein leichter: Für seine Arbeit musste das Team um Noman und seine Kollegin Gunda Georg erst einmal herausfinden, welche Verbindung RAR-alpha blockieren könnte. Mithilfe eines Computermodells gelang es schließlich, die beste molekulare Struktur zu identifizieren. "Wenn wir wissen, wie das Schlüsselloch aussieht, können wir auch einen Schlüssel herstellen", sagt Noman. YCT529 musste maßgeschneidert sein, damit es nicht mit den zwei verwandten Rezeptoren RAR-beta und RAR-gamma interagieren kann, um so allfällige Nebenwirkungen zu minimieren.

In fünf Jahren verfügbar?

Klinische Studien mit Menschen könnten noch in diesem Jahr starten, zeigen sich die Forschenden zuversichtlich. "Ich bin optimistisch, dass wir schnell vorankommen werden", meint Georg und hält eine Markteinführung in fünf Jahren oder weniger für möglich. "Es gibt keine Garantie, dass es klappt. Aber ich wäre wirklich überrascht, sollten wir nicht auch bei Menschen eine Wirksamkeit feststellen." (tberg, 24.3.2022)