Bild nicht mehr verfügbar.

Eine halbe Stunde vor dem Zubettgehen sollte man nicht mehr aufs Handy schauen, sagt der Mediziner.

Foto: Getty Images/zoranm

Der deutsche Schlafmediziner Helmut Teschler erklärt, wie sich Pandemie und Krieg auf unseren Schlaf auswirken – und was man jetzt tun kann, um besser zu schlafen.

STANDARD: Seit zwei Jahren leben wir in einer Pandemie, nun herrscht in der Ukraine Krieg: Wie wirkt sich denn all das auf unseren Schlaf aus?

Teschler: Etwa 25 Prozent der Menschen in Österreich und Deutschland haben ein gravierendes Schlafproblem. Das hat eine Umfrage von uns vor wenigen Wochen gezeigt, und das deckt sich auch mit anderen Erhebungen. Besonders schlecht einschlafen können laut unserer Umfrage jüngere Menschen unter 40, besonders stark betroffen sind Frauen. Ein Teil davon hat eine bekannte Krankheit, etwa das Syndrom der unruhigen Beine, oder schläft schlecht, weil der Bettpartner schnarcht. Mit Corona und dem Ukraine-Krieg sind noch einmal ganz neue Sorgen und Störfaktoren dazugekommen, die man früher nicht hatte. Es sind schlechte Zeiten für den Schlaf.

STANDARD: Was raubt uns denn den Schlaf?

Teschler: Beispielsweise haben sich viele durch das Homeoffice in den letzten zwei Jahren ihren Schlafrhythmus zerstört, weil sie später ins Bett gehen und dafür untertags ein Nickerchen machen. Andere bleiben derzeit länger auf, um Nachrichten zu konsumieren. Viele Menschen, die früher zwischen 22 und 23 Uhr ins Bett gingen, gehen heute zwischen Mitternacht und ein Uhr ins Bett. Sie verschieben ihren Schlafrhythmus um ein oder zwei Stunden. Das ist im Hinblick auf die innere Uhr des Menschen schlafmedizinisch viel.

STANDARD: Was machen denn die Bilder vom Krieg mit uns?

Teschler: Man weiß für sich selbst ja am besten, was einen aufregt und beschäftigt. Das kann für manche schon ein Fußballspiel sein, bei dem die Lieblingsmannschaft verliert. Für viele sind es nun aber die Bilder vom Krieg in der Ukraine. Dass der letzte Aspekt des Tagesgeschäfts Sorgen und Nöte sind, ist aus schlafmedizinischer Sicht katastrophal. Etwa eine Stunde vor dem Zubettgehen sollte man versuchen, "Bad News" auszuklammern. Wenn einen die Spätnachrichten zu sehr aufregen, kann man ja um 19.30 Uhr die Nachrichten anschauen, dann bleibt noch etwas mehr Zeit zum Verarbeiten. Für die Schlafhygiene ist wichtig, zu lernen, was einem guttut. Und die wenigsten Nachrichten tun einem heute gut, das muss man leider sagen.

STANDARD: Welche Rolle spielen denn Handys und Tablets, auf denen wir die Nachrichten oft konsumieren?

Teschler: Viele junge Menschen sind heute ja am Handy und Tablet und schauen gleichzeitig noch fern. Da muss man schon klar sagen: Wer Schlafprobleme hat, sollte versuchen, diese Dinge zurückzudrehen. Die meisten Bildschirme haben einen hohen Blaulichtanteil, der die Melatonin-Produktion verhindert. So werden die Menschen nicht über ihre innere Uhr müde. Daher rate ich dazu, den Konsum von Informationen mittels Handy und Tablet in der letzten halben Stunde vor dem Schlafengehen auf null zu reduzieren. Was ich aber unproblematisch finde, ist, das Handy neben dem Bett liegen zu lassen, solange man nicht draufschaut.

STANDARD: Stichwort Schlafhygiene: Was raten Sie denn noch?

Teschler: Man sollte zurückkehren zum alten Schlafrhythmus und der gewohnten Schlafzeit. Wer sich früher im Beruf körperlich auspowerte und jetzt plötzlich daheim im Homeoffice nur noch den Bleistift bewegt, könnte sich für den Abend einen Spaziergang vornehmen, um noch ein bisschen in Bewegung zu kommen. Und es kann auch helfen, bestimmte Gewohnheiten, die sich eingeschlichen haben, zurückzuschrauben.

STANDARD: Zum Beispiel?

Teschler: Literweise Kaffee untertags oder die Flasche Bier um halb elf Uhr abends, zum Beispiel. Ein geändertes Trinkverhalten bedeutet auch, dass man in der Nacht öfter aufwacht und auf die Toilette muss, weil man mehr Flüssigkeit zuführt. Als ersten Schritt könnte man auch versuchen, etwas anderes zu trinken. Es muss ja nicht gleich ein Pfefferminztee sein.

STANDARD: Was hilft denn noch dabei, besser zu schlafen?

Teschler: Ein klassisches Beispiel ist ein warmes Wannenbad, weil dadurch der parasympathische Teil des Nervensystems, der für die Entspannung zuständig ist, aktiviert wird. Der Mensch beginnt dadurch, auf Ruhe, Erholung, Wellness umzuschalten.

STANDARD: Wie sollte denn das Schlafzimmer idealerweise gestaltet sein?

Teschler: Der Schlafraum ist bei vielen Menschen durch die Pandemie zum Arbeitsraum geworden, dabei sollte das idealerweise getrennt sein. Er sollte außerdem der kühlste Raum im Haus sein. Die Wohlfühltemperatur liegt in unseren Breiten bei 16, 17, 18 Grad, weil sonst das Temperaturregulationssystem angeworfen wird und das vegetative Nervensystem unter Stress gerät. Außerdem sollte der Raum dunkel und ruhig sein. Eine Patientin mit Schlafstörungen erzählte mir mal, dass sie jeden Abend vor dem Schlafengehen die Waschmaschine im Nebenraum einschaltet. Damit war ihr Problem gelöst: Der Lärm von nebenan raubte ihr den Schlaf. Sie sehen: Schlafstörungen sind sehr individuell, da muss man seine eigene Situation wirklich eingehend analysieren.

STANDARD: Wenn all das nichts hilft – was tun?

Teschler: Es ist immer ratsam, nicht gleich mit der Schlaftablette auf Rezept zu beginnen, sondern mit der Frage: Was ist das Problem? Hier braucht es mehr Hilfe zur Selbsthilfe. In der Verhaltenstherapie wird oft mit Schlafrestriktion gearbeitet. Viele Menschen haben sich falsche Schlafgewohnheiten angewohnt und schlafen in der Nacht schlecht, dafür mehrfach am Tag. So ein Nickerchen darf maximal 30 Minuten dauern, sonst kommt man in die erste Traumphase rein. Das muss man erkennen und gegensteuern. (Franziska Zoidl, 7.4.2022)