Sich der Umwelt, aber auch dem eigenen Volk mit peinlichen und gleichzeitig lächerlichen Manövern zu präsentieren gehörte in den Jahren seit 2017 zur Selbstdarstellung der diversen türkis-schwarz-blau-grünen Regierungen unter Arbeitstiteln wie "Neu regieren" oder "Das Beste aus zwei Welten".

Nun hat sich die rote Oppositionspartei in bewährter Entscheidungsschwäche dieser Aufführungspraxis angeschlossen. Während an der Ukraine ein Kriegsverbrechen verübt wird, das man in der Welt von heute nicht mehr für möglich gehalten hätte, leistet man sich hierzulande eine tragische Groteske um eine hypothetische Parlamentsrede, wie sie anderswo kaum vorstellbar wäre.

In einem Augenblick der Geschichte, wo es nichts anderes geben kann als eine klare Gesinnungsposition, will die SPÖ eh nicht Nein auf die Frage gesagt haben, ob Wolodymyr Selenskyj vor dem österreichischen Nationalrat reden soll. Ein Abgeordneter sah darin eine künstliche Debatte, weil die Ukraine ohnehin nicht um eine Einladung angesucht habe. In Wien soll das nicht so ohne weiteres gehen wie in Paris, Jerusalem, Washington oder Rom, da könnte ja jeder kommen, und je künstlicher eine Debatte, desto natürlicher kann man ein Ansuchen erwarten, das allen parteibürokratischen Anforderungen entspricht. Zumal unsere Neutralität, wie es weiter hieß, von der Russischen Föderation genau beobachtet werde.

Herumschieben der Verantwortung

Umso bedauerlicher, dass es an der nötigen Selbstbeobachtung fehlt. Denn was vorliegt, ist ein feiges Herumschieben der Verantwortung zwischen den Parteien, ohne dass überhaupt ein konkreter Anlass gegeben wäre. Mit der Idee einer Rede Selenskyjs im Parlament in Wien soll der ukrainische Botschafter an die Neos herangetreten sein, was in der Tat kein formal korrektes Ansuchen im Sinne der SPÖ darstellt. Deren stellvertretender Klubomann servierte die Idee in der Präsidialkonferenz, wo sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der in eigener Sache zu klaren Entscheidungen neigt, diesmal um eine solche herumdrückt.

Obwohl er die Entscheidung für eine Einladung rechtlich allein treffen könnte, ja nicht einmal auf Einstimmigkeit angewiesen wäre, behauptet er bisher, nur im Einvernehmen handeln zu können. Sollte sich ein solches einstellen, wäre er durchaus bereit, eine Lösung zu ermöglichen. Nett, aber im parlamentarischen U-Ausschuss lässt er solch überschäumende Harmoniesucht eher vermissen, doch diesmal kostet sie nichts, weil die Freiheitlichen in Nibelungentreue zu Wladimir Putin auf jeden Fall gegen einen Auftritt Selenskyjs sind. Sobotka wird sich also nicht weiter um eine Lösung bemühen müssen, wenn er bei seiner strengen Auslegung parlamentarischen Kuschelns bleibt. Wir leben schließlich nicht mehr im Jahr 1933.

Die Sozialdemokraten finden in nobler Zurückhaltung, die Entscheidung liege gar nicht bei den Parteien, sondern allein beim Nationalratspräsidenten, was dazu führt, dass – bei jetziger Lage – die blauen Putin-Bewunderer darüber entscheiden, ob der ukrainische Präsident vor dem österreichischen Parlament auftreten darf. Ob der unter diesen Umständen überhaupt Wert darauf legt, darf bezweifelt werden, und das nicht nur wegen Österreichs Bedeutung in der Welt. Aber im Unfug wächst das Rettende auch: Soll doch Putin entscheiden. (Günter Traxler, 24.3.2022)