Obwohl sich die öffentliche Aufmerksamkeit derzeit völlig auf die Ukraine richtet, ist es den Taliban gelungen, Afghanistan zumindest kurz in die internationale Berichterstattung zurückzubringen. Die afghanische Tragödie war diesmal als Farce inszeniert: Seit Wochen verkündeten die neuen und alten Herren in Kabul, dass ab März auch Mädchen ab der sechsten Schulstufe wieder in den Unterricht dürfen. Viele der Schülerinnen waren schon in ihren Klassen – und die Medien standen bereit, darüber zu berichten –, als das Retour-Kommando kam. Die Bilder von Tränen, die sonst hinter verschlossenen Türen fließen müssen, gingen um die Welt.

Sogar einige offizielle Stimmen in Kabul reagierten peinlich berührt: Es seien nur "technische" Fragen offen, sobald sie gelöst seien, werde der Schulbeginn nachgeholt. Und wenn man gar nichts anderes hat, macht man es eben an der "angemessenen" Kleidung für Frauen fest, dem simpelsten Marker dafür, wie islamisch ein Land angeblich sein soll.

Am Dienstag erlaubte das Taliban-Regime den Unterricht für über zwölfjährige Mädchen. Am Mittwoch wurden Mädchen in Kabul wieder nach Hause geschickt.
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Der Hintergrund ist jedoch natürlich komplexer: Der Befehl zum Stopp ging offenbar von der ideologischen Taliban-Zentrale Kandahar aus, der Kabul – wo unter anderem jene Taliban sitzen, die jahrelang mit den USA in Doha verhandelten – zu pragmatisch geworden ist. Dieser latente Machtkampf zeigte sich bereits in den ersten Wochen nach der Machtübernahme im August, als es an die Regierungsbildung ging. Auch damals setzten sich die Ultras durch.

Das Dilemma für die internationale Gemeinschaft wird damit noch größer. Am 31. März findet eine Uno-Geberkonferenz statt, deren Ziel es ist, 4,4 Milliarden US-Dollar für humanitäre Hilfe aufzustellen. Die Frage der Grundrechte – wie das Recht auf Ausbildung – von Mädchen und Frauen spielt eine fundamentale Rolle bei der Bereitschaft, auf einer minimalen Basis mit den Taliban zusammenzuarbeiten, auch wenn sie weiter nicht als rechtmäßige Regierung anerkannt werden.

Man kann nicht die vom wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes am Leben bedrohten Afghanen und Afghaninnen einfach ihrem Schicksal überlassen. Ausgerechnet die USA, die durch ihren schlecht vorbereiteten Abzug die Katastrophe mitverursacht haben, bestrafen Afghanistan für ihr eigenes Versagen: Von sieben Milliarden US-Dollar an eingefrorenen afghanischen Geldern gab US-Präsident Joe Biden die Hälfte für die Entschädigung von Opfern der Terrorattentate von 9/11 frei. Unter den Attentätern war kein Afghane. (Gudrun Harrer, 24.3.2022)