Die Blutgruppe 0 besitzt Antikörper, die eventuell dafür verantwortlich sind, dass bei dieser Blutgruppe Infektionen seltener vorkommen.

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Schon sehr früh nach Beginn der Corona-Pandemie kursierte die Vermutung, dass die Blutgruppe eine Rolle in Hinsicht auf die Infektion oder die Schwere des Verlaufs spielen könnte. Seitdem ist es der Wissenschaft gelungen, in diesem Zusammenhang weitere Erkenntnisse zu sammeln.

Eine neue Studie, die im Fachjournal "PLOS Genetics" erschienen ist, hat 3.000 Proteine analysiert, die mit einer Sars-CoV-2-Erkrankung in Verbindung stehen könnten. Bei sechs von ihnen fanden die Forscherinnen und Forscher kausale Zusammenhänge, die auf das Risiko eines schweren Verlaufs mit Corona hindeuten. Das Spannende: Eines dieser Proteine (ABO Transferase, ein Enzym) bestimmt die ABO-Blutgruppe. Eva Matzhold, Molekularbiologin an der Med-Uni Graz, erklärt den Zusammenhang: "Im speziellen Fall von ABO ist es so, dass das Sars-CoV-2-Virus an seiner Oberfläche Zuckerstrukturen trägt, die denen der ABO-Blutgruppen-Eigenschaften sehr ähnlich sind." Dadurch könnte dem Virus das Eindringen in eine Zelle erleichtert oder auch erschwert werden.

Schutzeffekt durch Blutgruppen-Antikörper

Neben den Oberflächenstrukturen gibt es aber noch eine weitere Theorie, die einen möglichen Zusammenhang der ABO-Blutgruppe und einer Corona-Erkrankung erklären könnten. Mithilfe der eigenen ABO-spezifischen Antikörper, die jeder Mensch abhängig von seiner ABO-Blutgruppe besitzt, könne auch ein gewisser Schutz gegen das Sars-CoV-2-Virus vorhanden sein. Wichtig dabei wäre, welche Antikörper man im Blut hat. Menschen mit der Blutgruppe 0 besitzen Antikörper gegen A und B, anders als Personen mit der Blutgruppe A oder B. "Menschen mit diesen Blutgruppen tragen jeweils nur Anti-B- oder Anti-A-Antikörper in sich, aber nicht beide", sagt Matzhold.

Da mittlerweile in verschiedenen Studien bestätigt wurde, dass Menschen mit der Blutgruppe 0 weniger häufig unter den Coronavirus-Erkrankten oder Covid-19-Patienten zu finden sind, könnte hier eine mögliche Erklärung liegen, wie die Molekularbiologin erklärt: "Es wäre möglich, dass diese Antikörper mit dem Virus in irgendeiner Art und Weise interagieren und so die Bindung an den für die Infektion wichtigen Rezeptor hemmen."

In einer anderen Studie hat das Team rund um Matzhold zusammen mit der Med-Uni Wien weitere Forschungsergebnisse gewinnen können. Dabei haben sie das Blut von Corona-Genesenen mit dem Blut von niemals positiv getesteten Personen verglichen. Das Ergebnis: "Bei den Menschen, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten, konnten wir eine deutlich geringere Menge an Anti-A- und Anti-B-Antikörpern feststellen als bei der Gruppe der Menschen, die bisher nicht erkrankten. " Auch über einen längeren Zeitraum blieb das Level der Antikörper stabil. Daraus schließen die Forschenden, dass die ABO-Antikörper tatsächlich in den Prozess einer Infektion oder in den Verlauf von Covid-19 involviert sind und Menschen, die beide Antikörper Anti-A und Anti-B in sich tragen, einen Vorteil besitzen könnten.

Andere Faktoren bedeutsamer

Dass es einen Zusammenhang zwischen einer Corona-Erkrankung und der Blutgruppe geben muss, lässt sich aus diesen Studien ableiten. Vielleicht findet sich hier auch eine Erklärung dafür, warum sich einige Familienmitglieder eines Haushaltes infizieren und die anderen nicht. Die Molekularbiologin schließt diesen Zusammenhang jedenfalls nicht aus: "Vielleicht spielen die ABO-Antikörper hier eine Rolle, besonders wenn sich die ABO-Blutgruppen zwischen den einzelnen Personen unterscheiden. Und wer mehr Anti-A- und Anti-B-Antikörper in sich trägt, ist vielleicht weniger gefährdet, sich anzustecken."

Welcher Mechanismus jedoch die Schlüsselrolle in dem Ganzen spielt, muss noch weiter erforscht werden. Was aber bereits klar ist: Der Faktor Blutgruppe spielt im gesamten Infektionsgeschehen nur eine untergeordnete Rolle. Für Matzhold ist offensichtlich: "Wenn Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen vorliegen, schreiben wir diesen Faktoren eine weitaus größere Bedeutung zu, wenn es darum geht, ob schwere Verläufen zu erwarten sind oder nicht. " (Jasmin Altrock, 28.3.2022)