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Kitzbühel war bei Russinnen und Russen lange angesagt – in den vergangenen Jahren dem Vernehmen nach aber nicht mehr so sehr.

Foto: Getty Images/Alexander Nikitin

Im Nobelskiort Kitzbühel erinnert man sich heute noch an den mittlerweile verstorbenen ehemaligen Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow und seine Ehefrau Jelena Baturina, einst die reichste Frau Russlands. Sie besaßen in der malerischen Gegend unter anderem das Hotel Grand Tirolia, in dem sogar Wladimir Putin schon genächtigt hat.

"Grand" war auch der Auftritt der Wahlkitzbüheler: Sie reisten mit eigenem Helikopter und Leibwächtern an, die sogar vor der Apotheke Wache standen, wenn drinnen eingekauft wurde. 2018 wurde das Hotel um kolportierte 45 Millionen Euro verkauft. Baturina und Luschkow zogen weiter.

Nicht nur sie: Um Russinnen und Russen ist es auf Österreichs Immobilienmärkten in den vergangenen Jahren deutlich ruhiger geworden. Nach der Finanzkrise waren sie auch in Wien unterwegs und kauften hier bevorzugt Altbauwohnungen. Das ist vorbei.

Doch nun richtet sich das Scheinwerferlicht erneut auf Russlands Superreiche. Viele haben von Putins Herrschaft über die Jahre hinweg profitiert und sich damit ein Leben im Luxus finanziert. International wird über Beschlagnahmungen ihrer Immobilien diskutiert, auf sozialen Netzwerken wünschen sich manche gar Enteignungen. Immerhin klingt das nach einer einfachen Lösung.

Stetig wachsende Sanktionsliste

Viele Oligarchen stehen mittlerweile auf der seit der Annexion der Krim 2014 stetig wachsenden Sanktionsliste der EU. Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen können laut Verordnung von damals eingefroren werden. Aber dieses Einfrieren – also das Verhindern der Verwendung dieser Ressource zum Erwerb von Geld – ist etwas anderes als eine Enteignung. Denn an den Eigentumsverhältnissen ändert sich dabei nichts. Nur verkauft oder vermietet werden dürfen die Immobilien wohl nicht, betont Stefan Storr vom Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht der WU Wien.

In Österreich sind für Durchführung und Überwachung der Sanktionen Abteilungen im Wirtschaftsministerium und der Nationalbank sowie die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst im Innenministerium verantwortlich. Letztere verständigt die Gerichte, wenn sanktionierte Personen im Grundbuch eingetragen sind. Bei zwei Personen ist das bisher passiert, heißt es auf Anfrage. Mittlerweile wurde zwar eine Taskforce gegründet. Derzeit dürfte es aber noch ruhig sein: Laut dem Maklerbüro Austria Real wollen einige reiche Russinnen und Russen jetzt noch Immobilien in Wien verkaufen.

Wer hat die größte Yacht?

Die Sanktionen betreffen aber nicht nur Immobilien. Luxusyachten liegen an der Donau nicht vor Anker. Dafür sind die Schiffe der Oligarchen in Italien und Deutschland ein großes Thema. Im Hafen von Triest hat die Finanzpolizei erst vor wenigen Tagen die Segelyacht – angeblich die größte der Welt – von Andrej Melnitschenko beschlagnahmt.

In Hamburg gab es jüngst ein Hin und Her um die 156-Meter-Superyacht von Alischer Usmanow. Erst hieß es, sie sei beschlagnahmt worden. Später entpuppte sich das als falsch: Die Megayacht mit zwei Hubschrauberlandeplätzen liegt nur zur Reparatur vor Anker.

Wohlgemerkt: Auf Enteignungen werden die Russland-Sanktionen ganz sicher nicht hinauslaufen. Aus gutem Grund, sagen Experten. Sie erinnern sich an die einfachen Lösungen? Es ist komplizierter. Enteignungen von Oligarchen seien "weit weg von Praktikabilität und Logik", sagt Arthur Kanonier, Raumordnungsexperte an der TU Wien. "Ich würde aus bodenpolitischer Sicht davor warnen, dass das Grundbuch aufgrund der Nationalität eines Menschen außer Kraft gesetzt wird. Wenn man nicht aufpasst, macht das Schule."

Enteignungen in Österreich

Enteignungen sind zwar auch in Österreich theoretisch möglich, durchgeführt werden sie aber nur in Ausnahmefällen, etwa beim Bau von Autobahnen oder Eisenbahntrassen. Bei Letzterem braucht es aus technischen Gründen bestimmte Radien. Wenn ein Grundeigentümer nicht mitspielt, bleibt nur die Enteignung – allerdings nur dann, wenn das öffentliche Interesse überwiegt, wenn es das gelindeste Mittel und alternativenlos ist. "Das kommt immer wieder vor", sagt Kanonier. Allerdings werde auch nicht "wie wild" enteignet. Beim Chalet eines Oligarchen sieht Kanonier diese Bedingungen nicht erfüllt.

Zudem wird oft vergessen, dass Enteignung nicht bedeutet, dass jemandem einfach sein Grundstück oder Haus weggenommen wird. Dabei muss eine Entschädigung bezahlt werden. Der Preis wird nach bestimmten Kriterien von Fachleuten festgelegt. So müssten wohl letztlich "horrende Summen" (Kanonier) für ein enteignetes Chalet in Kitzbühel bezahlt werden. "Aber genau das will man ja nicht", sagt Kanonier.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Grundbuch oft nicht der Oligarch als Eigentümer aufscheint, sondern eine verschachtelte Gesellschaft, häufig mit Sitz auf Zypern. Das macht die Recherche komplizierter. Hier hilft das Register der wirtschaftlichen Eigentümer, in dem der Geschäftsführer der Besitzgesellschaft jedes Firmengeflechts aufscheinen muss. Schwieriger wird es, wenn Mittels- und Strohmänner eingesetzt werden.

Geldwäsche in London

Viel attraktiver als Österreich war für Oligarchen zuletzt London. Bürgermeister Sadiq Khan hat sich jüngst medienwirksam dafür ausgesprochen, leerstehende Wohnungen von Oligarchen, die es in der britischen Hauptstadt zuhauf gibt, für ukrainische Geflüchtete zu öffnen. Viele dieser Immobilien seien zur Geldwäsche gekauft worden. Bevor sie jetzt aus Angst vor Sanktionen weiterverscherbelt werden, "sollte die Regierung sie beschlagnahmen".

In Großbritannien will man jetzt überhaupt nachschärfen: Immer wieder wurde die britische Regierung für ihren laxen Umgang mit Oligarchen kritisiert. Nun soll ein Gesetz in Kraft treten, das es Superreichen aus dem Ausland erschwert, für den Kauf von Immobilien Briefkastenfirmen zu nutzen.

Diskussionen über Enteignungen gibt es nicht erst seit Putins Krieg. In Berlin fordert die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen", dass der Bestand von profitorientierten Immobiliengesellschaften, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin besitzen, in das Gemeineigentum überführt werden soll.

Vergesellschaftungen in Berlin

Natürlich gegen entsprechende Entschädigung. Dabei stehen von acht bis 36 Milliarden Euro eine Menge unterschiedliche Schätzungen im Raum. Billig ist Enteignung – oder, wie man in Berlin lieber sagt: Vergesellschaftung – also sicher nicht. Aber beliebt: Bei einem Volksentscheid stimmten im Vorjahr mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner dafür – allerdings wohl auch, um ihrem Unmut über die in der deutschen Hauptstadt stark gestiegenen Mieten Ausdruck zu verleihen.

In Italien hat man eher mit Beschlagnahmungen Erfahrung: Hier werden seit Jahrzehnten Mafiawohnungen und -häuser beschlagnahmt. Überall im Land gibt es nicht nur von verschiedenen Clans mit Geld aus illegalen Geschäften gekaufte Wohnungen, sondern auch ganze Siedlungen, die von der Mafia gebaut wurden – um an öffentlichen Aufträgen zu verdienen oder Geld zu waschen.

Seit kurzem gibt die italienische Regierung diese Häuser der Allgemeinheit zurück – in dem Fall den Gemeinden, die die Immobilien weiternutzen können. Innenministerin Luciana Lamorgese sagte jüngst, man wolle die noch leerstehenden Objekte auch dazu nutzen, Geflüchtete aus der Ukraine dort unterzubringen.

Immobilien von Clans

Auch das Berliner Landgericht hat 2018 77 Immobilien von Clanfamilien, die unter Verdacht standen, diese mit Geld aus Straftaten gekauft zu haben, konfisziert. Mittlerweile ist allerdings klar, dass lediglich zwei Grundstücke eingezogen worden sind. Sie sollen nun der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH zugeführt werden.

Zwar würden die Ermittlungen wegen Geldwäsche gegen den 26-jährigen Besitzer ins Leere laufen, das Berliner Landgericht teilte aber mit, dass ein aus einer rechtswidrigen Tat stammender Gegenstand auch dann eingezogen werden könne, wenn der Betroffene nicht verfolgt oder verurteilt werden kann. Das Gericht sprach von einem groben Missverhältnis zwischen den Einkünften und dem Kaufpreis einer Villa in Neukölln. Was die Berliner Immobilienmanagement mit den Immobilien vorhat, ist noch unklar.

Hohe Immopreise

Ob sich die EU-Sanktionen gegen Russlands Superreiche nun auf die besonders in Kitzbühel sehr hohen Immobilienpreise auswirken, weil diese hier nicht mehr so wie früher einkaufen werden? Mit Sicherheit nicht. Manche Lösungen sind dann eben doch nicht so einfach, wie sie anfangs klingen. (Thorben Pollerhof, Franziska Zoidl, 27.3.2022)