Ja, schon gut, die alte Schmonzette vorweg. Wie grüß(t)en sich Ro-80-Fahrer? Mit einem oder mehreren Fingern emporgereckt. So viele Finger, so viele Motoren geplatzt. Der Wankel, der bei Mazda kaum Probleme verursachte, außer eben dass er soff, war zumindest anfangs ständig ein Grund für Ärger. Probleme bereiteten speziell die Dichtleisten und die Doppelzündung mit zwei Kerzen pro Kammer. Einer geht noch? "Ro 80, gekocht 160", witzelte Otto Waalkes.

Ro 80: Keilförmig und konsequent auf Aerodynamik getrimmt.
Foto: Audi

Das aufwendige Fahrwerk dieser "Reiselimousine von morgen", die ab 1967 eine Dekade lang gebaut wurde und ab 1969 unter Audi NSU Auto Union die neue Konzernstruktur unter VW-Dach verriet, lässt uns flott die direkte Kurve zum Ro 80 nehmen. Er war seiner Zeit, vom Motor abgesehen, weit voraus. Selbst unter heutigen Gesichtspunkten wirkt die Form modern, damals war sie revolutionär, nicht allein wegen optischer Gefälligkeit – zu welcher der lange Radstand bei vergleichsweise kurzen Überhängen beitrug –, sondern auch unter aerodynamischen Gesichtspunkten.

Zwei Personen sind für den Wagen als maßgeblich zu nennen: Ewald Praxl und Claus Luthe. Praxl war der Entwicklungschef. Während des Krieges Mitkonstrukteur des NSU-Kettenkrads, führte er ab 1951 als Leiter der NSU-Versuchs- und Rennabteilung die Rennmotorräder in den Olymp; damals war NSU größter Motorradhersteller der Welt. Im Pkw-Bereich konstruierte er den NSU Prinz (1958 bis 1973) und den K 70, die repräsentative Limousine führte dann als VW K70 (1970 bis 1975) den Frontantrieb bei den Wolfsburgern ein.

Der Prinz und die Familie

Claus Luthe wiederum, einer der bedeutendsten Autodesigner des 20. Jahrhunderts, gestaltete unter anderem: NSU Prinz (2. Generation), Wankel Spider, K 70, Audi 50 (der zum VW Polo wurde), Audi 100 und 80 (jeweils 2. Generation) sowie als BMW-Chefdesigner die 3er, 5er und 7er seiner Zeit und den gefloppten 8er mit den Klappscheinwerfern. Erstmals setzte er dort konsequent auf Familienähnlichkeit, was zum Vorwurf führte, die BMWs sähen alle gleich aus – sein Nachfolger Chris Bangle räumte damit radikal auf.

Sein bekanntester Wurf ist und bleibt der Ro 80. Durchgehende Gürtellinie in Türgriffhöhe, konvex gewölbt darüber, konkav darunter (Chris Bangle wird das später modifiziert unter dem Begriff "Flaming surfaces" zu neuer Blüte bringen, in der Folge ahmen fast alle Autohersteller das bis heute weitverbreitete Prinzip, Karosserieflächen zum Schwingen zu bringen, nach), die Keilform begünstigte einen großen Kofferraum, der sich obendrein durch getrennt entfernbare Rückenlehnen vergrößern ließ.

Antriebsseitig setzte NSU auf Felix Wankels Doppel-Rotor-Kreiskolbenmotor.
Foto: Audi

Die geringe Bauhöhe des Wankelmotors ermöglichte eine flache Motorhaube, und die Optimierung der Aerodynamik wurde von Luthe so konsequent betrieben, dass selbst der Unterboden in die Überlegungen miteinbezogen war.

Vorgänger im windschlüpfrigen Bestreben waren die Tropfenform-Autos der Zwischenkriegszeit, aber der Erste, der den Luftwiderstand ähnlich im Windkanal anging wie der Ro 80, war Edmund Rumpler mit seinem berühmten Tropfenwagen von 1921. Für den wurde 1979 im Windkanal ein cw-Wert von 0,28 ermittelt, der Ro 80 kam auf rund 0,38. Die nächsten Schritte, den Rekord des Österreichers Rumpler zu egalisieren: Der "Aerodynamik-Weltmeister" Audi 100 schaffte 1982 0,30, Opels Calibra 1989 0,26. Na also. 1967 aber, da lag der NSU im Vergleichsumfeld ganz weit vorne.

Schnell und ruhig

In technischer Hinsicht sorgte Praxl dafür, dass die erste und letzte Luxuslimousine aus dem Hause NSU beeindruckend schnell und ruhig lief. Der Doppelrotor-Wankel leistete 115 PS und sorgte für imposante 180 km/h Vmax, der 100er war nach 14 Sekunden erreicht. Eine Dreigang-Halbautomatik ohne Kupplung sollte das schwache Drehmoment überspielen. Für tadellose Handlingeigenschaften sorgten Frontantrieb, eine vielgelobte Servolenkung und Scheibenbremsen rundum, das Fahrwerk mit Schräglenker-Hinterachse und MacPherson-Federbeinen – bei Frontantrieb damals noch alles andere als üblich – setzte neue Maßstäbe bei der Straßenlage und garantierte bequemes Reisen.

So, und jetzt sehen wir uns noch rasch an, in welchem Umfeld der Ro 80 spielte. In der Zeit um die 68er-Revolten, in die er hineingeboren wurde, gab es Automobile von beeindruckender Langeweile, Ähnliches wird man vielleicht in 55 Jahren einmal von unserer Zeit sagen. An heutigen Kultautos ist die Ära dann aber doch überraschend reich.

Frau am Steuer sah ein damals hochmodernes Armaturenbrett.
Foto: Audi

Zu nennen wären, nach Erscheinungsjahr und alphabetisch gegliedert: Jaguar E-Type und Renault R4 (beide ab 1961), Mercedes SL "Pagode" und Porsche 911 (1963), Ford Mustang (1964), Alfa Romeo Spider, BMW 02-Serie und Honda S800 (1966), Mazda 110 S Cosmo Sport (1967 ), Citroën Méhari, Ford Capri, Opel GT, Peugeot 504 (1968), Saturn V (ebenfalls 1968; obwohl, hoppla, da ist uns doch glatt die Mondrakete reingerutscht), Ferrari 365 GTB/4 "Daytona" (1969) und Range Rover (1970).

Zu avantgardistisch, zu mutig, man kennt das auch von Citroën: Aus der Distanz der Jahre lässt sich das Phänomen einerseits emotionell betrachten – ein Geniestreich vor dem Herrn –, andererseits auch ganz nüchtern. Der Ro 80 hatte beim Antrieb auf das falsche Pferd gesetzt. Nur 37.406 Fahrzeuge wurden gebaut, die Garantieklagen wegen der Motoren kosteten eine Lawine, das trieb NSU 1969 in die Hände des VW-Konzerns, 1977 segnete mit dem Auslaufen des Wankelluxusmobils Ro 80 auch NSU sein aktives zeitliches Dasein.

Das letzte Serienfahrzeug ging an das Deutsche Museum in München, auch das Deutsche Technikmuseum in Berlin verfügt über ein Exemplar – das trifft sich gut, denn dort finden sich auch die einzigen noch existierenden Rumpler-Tropfenwagen. (Andreas Stockinger, 15.5.2022)