Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Wer ein iPhone will, muss tief in die Tasche greifen. Das galt lange Zeit als unumstritten, zumindest bis Apple 2016 das erste iPhone SE – also die "Special Edition" – auf den Markt brachte. Das Smartphone war schon damals trotz eines aktuellen Prozessors vergleichsweise günstig. Eine Herangehensweise, die sich auszuzahlen scheint: Nachdem der Hersteller bereits 2020 nachgelegt hat, ist nun die dritte Generation des SE verfügbar. DER STANDARD hat es getestet.

Was einem nach dem Auspacken sofort ins Auge springt: Für ein modernes Smartphone sieht das iPhone SE erstaunlich alt aus. Das liegt schlicht daran, dass Apple weiterhin das Gehäuse des sechs Jahre alten iPhone 8 verwendet – das wiederum denselben Formfaktor hat wie das iPhone 6. Das klingt veraltet und ist es auch. Denn bis auf den aktuellen A15-Chip und 5G-Funktionalität teilt sich das SE die Hardware mit seinem Vorgänger. Heißt: breite Displayränder.

Aus alt mach neu

Statt Face ID gibt es zudem einen vorderseitig angebrachten Fingerabdrucksensor. Darüber findet man das altbekannte 4,7-Zoll-Display mit einer mickrigen Auflösung von 1334 x 750 Pixeln. Auf der Rückseite sitzt eine einsame Kamera mit einer Auflösung von zwölf Megapixeln. Wer sich einen zusätzlichen Ultraweitwinkel-Sensor erhofft hat, muss enttäuscht werden.

Dank eines Einstiegspreises von 519 Euro dürfte das Gerät für viele Menschen dennoch interessant sein. Das Design ist zwar aus der Zeit gefallen, dafür garantiert der A15-Chip, dass das Gerät für die nächsten fünf Jahre mit Software-Updates versorgt wird. Außerdem erhalten iOS-Fans Zugang zum Apple-Ökosystem. Für all jene, die zusätzlich ein iPad oder einen Mac benutzen, kann das von Bedeutung sein.

Genug Leistung für alle

Ist das iPhone SE deshalb wirklich eine gute Wahl? Fangen wir von vorne an, und zwar bei der Leistung des Smartphones. Apps laden in Windeseile und laufen allesamt flüssig. Dasselbe gilt für Multitasking. Man muss auch keine Sorgen machen, wenn man 30 bis 50 Safari-Tabs gleichzeitig geöffnet hat. Wirklich überraschend ist das angesichts des verbauten Prozessors allerdings nicht, immerhin stammt dieser aus dem Top-Smartphone des Konzerns.

Das iPhone SE (2) und das neue iPhone SE 2022: Erkennen Sie einen Unterschied?
Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Dennoch zeigt sich nicht mal im direkten Vergleich mit dem iPhone SE 2020 ein relevanter Leistungsunterschied. Zum Beispiel braucht dieses nur vier Sekunden länger als das aktuellste Modell, um das Rennspiel "Asphalt 9" zu laden. Auch sonst fällt auf, dass Apps meist genauso schnell einsatzbereit sind. Nur manchmal scheint es beim Launch eine Verzögerung von einer bis zwei Sekunden zu geben, zum Beispiel im Fall von Twitter, Spotify oder Google Notizen. Bei einem 500-Euro-Smartphone scheint das jedoch verzeihbar.

Kein Augenschmaus

Beim Display hat sich unterdessen gar nichts getan. Die Bildwiederholrate liegt weiterhin bei 60 Hz, und eine Auflösung von etwa 720p macht sich inzwischen unangenehm bemerkbar. Hinzu kommt, dass wegen des veralteten Designs weiterhin ein 4,7-Zoll-Panel verbaut wurde, was für heutige Verhältnisse ziemlich klein ist. Sogar das iPhone 13 mini hat einen 5,4 Zoll großen Bildschirm, dabei ist das Gerät kleiner als das SE.

Wirft man einen Blick zur Konkurrenz, wirkt das unverhältnismäßig. Google, Samsung und Co bieten seit Jahren auch Einsteigergeräte mit modernem Design an, die das eigene Geschäft nicht kannibalisieren. Bei den iPads hat Apple zudem selbst vorgemacht, dass es möglich ist. Immerhin teilen das iPad Air und mini die Designsprache der Pro-Linie.

Was kann die Kamera?

Nun gut. Hat sich dafür die Kameraqualität verbessert? Die lange Antwort auf diese Frage lautet, dass zwar der Sensor gleich geblieben ist, man dank des A15-Chips die Hardware aber weiter ausreizen konnte. So gibt es jetzt "Fotografische Stile", also in die App integrierte Filter, mit denen man die Farbstimmung etwas anpassen kann. Außerdem neu ist Smart HDR 4, was für kontrastreichere Fotos sorgen soll. Das klingt alles toll. In der Praxis lautet die kurze Antwort auf die eingangs gestellte Frage jedoch: Nein.

Tagsüber können die Fotos des iPhone SE durchaus überzeugen.
Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Einen relevanten Unterschied zum iPhone SE (2) kann man nicht bemerken. Das heißt allerdings nicht, dass sich Apple für die Fotos verstecken muss. Bei Tageslicht sind Aufnahmen kontrastreich und scharf, die Belichtung selbst bei moderatem Gegenlicht sehr ausgewogen. Die Schwächen des Sensors machen sich erst bei schlechtem Licht bemerkbar. Apple hat erneut auf einen Night Mode verzichtet, weshalb Nachtaufnahmen schnell matschig werden und die dunkleren Bereiche des Fotos im Nirwana verschwinden.

Dasselbe gilt für Videoaufnahmen. Diese können mit einer Auflösung von bis zu 4K bei 60 fps getätigt werden. Ein optischer Bildstabilisator sorgt dafür, dass sie nicht verwackeln. Die Aufnahmen können sich bei Tageslicht durchaus blicken lassen, die Qualität dürfte dem durchschnittlichen Käufer jedenfalls ausreichen.

Nachts sieht es anders aus.
Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Etwas enttäuschend ist hingegen, dass die Frontkamera mit nur sieben Megapixeln auflöst. Selfies wirken dadurch selbst in passablen Lichtverhältnissen etwas unscharf, obwohl Apple beim neuesten Modell sogar digital nachzuhelfen scheint.

Saft für den ganzen Tag – meistens

Eine Verbesserung konnte unterdessen in Sachen Akkulaufzeit festgestellt werden. Trotz des kompakten Gehäuses hat das neue iPhone SE eine etwas höhere Kapazität. Hinzu kommt, dass der verbaute Prozessor stromsparender arbeitet. In Kombination macht das einen kleinen, aber bemerkbaren Unterschied. Bei durchschnittlicher Nutzung hält der Akku öfter einen ganzen Tag. Das war beim Vorgängermodell nicht immer der Fall.

Mit den teureren Modellen ist die Leistung allerdings noch immer nicht zu vergleichen. Wer also mehr Zeit mit Handyspielen oder dem Schauen von Serien verbringt, muss sich auf einen regelmäßigen Gang zum Ladekabel einstellen. Apropos: Kabellose Aufladung ist dank der gläsernen Rückseite natürlich möglich. Mit Apples eigenen Magsafe-Accessoires ist das Handy nicht kompatibel.

Fazit: Wenig gute Gründe für den Kauf

Apples Umsetzung des iPhone SE ist unkreativ. Außer einem schnelleren Prozessor, den die Zielgruppe kaum ausreizen wird, bietet das Smartphone keine beachtenswerten Neuigkeiten. Das Design, das Display und selbst die Kamera entsprechen nicht mehr dem aktuellen Standard. Vor zwei Jahren konnte man die Schwächen aufgrund der offensichtlichen Vorteile für ein Einsteigermodell noch rechtfertigen: ein vergleichsweise günstiger Preis, ein aktueller Chip und jahrelanger Softwaresupport.

Denselben Trick zweimal hintereinander anzuwenden wirkt hingegen frech. Allzu offensichtlich ist es, dass Apple maximalen Profit aus veralteter Hardware schlagen will. Das bemerkt man auch daran, dass man für 519 Euro bloß 64 Gigabyte Speicherplatz erhält. Damit werden nur die wenigsten auskommen, vor allem, wenn man das Smartphone mehrere Jahre behalten will.

Das Design ist nicht mehr zeitgemäß.
Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Nutzerinnen des Vorgängermodells kann also getrost von einem Upgrade abgeraten werden. Ein Leistungsunterschied macht sich im Alltag kaum bemerkbar. Alle anderen Interessenten sollten einen Blick auf das iPhone 11 werfen. Für einen Aufpreis von 60 Euro hat dieses ein größeres Display, Face ID und zwei rückseitige Kameras – Features, die den meisten Käuferinnen "günstigerer" Geräte deutlich wichtiger sein dürften als der schnellstmögliche Chip. Es gibt also nicht viele Gründe, zum neuen iPhone SE anstatt zu älteren Modellen oder einem Android-Smartphone zu greifen.

Aber für wen ist es dann die richtige Wahl? Für die kleine Gruppe an Menschen, die nicht auf iOS verzichten wollen, den neuesten Prozessor brauchen, den vergleichsweise günstigen Kaufpreis schätzen und möglichst lange Software-Updates erhalten wollen. Alles in allem ist es aber leider das wahrscheinlich langweiligste Produkt im Apple-Sortiment. (Mickey Manakas, 27.3.2022)