"Ich bin hier, weil mir das Klima wichtig ist und damit es hier nicht bald aussieht, wie in der Wüste", sagt die neunjährige Milena. Sie ist mit ihren Freundinnen aus der Klasse und ein paar jüngeren Volksschulkindern aus ihrer Schule zum Wiener Stubentor gefahren, um am zehnten weltweiten Klimastreik der Fridays-for-Future-Bewegung teilzunehmen.

Demonstriert wurde in Wien am Ring.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Während Milena die Slogans, die ihre Klassenkameradin durch das Megafon brüllt, wiederholt, schwenkt sie ihr Schild in Form eines Laubbaumes auf und ab. Ob sie das selbst gemacht hat? "Das haben die Jüngeren aus der ersten Klasse gebastelt. Wir haben dafür Flyer geschrieben", sagt sie stolz und ruft: "Rettet die Lobau!" Auch Nadelbäume haben die Kleineren gemacht: Eine Tanne hüpft unweit auf und ab.

Auf einem kleinen Flugblatt, das ein Kind geschwind aus der Brusttasche der Latzhose zieht und zur Begutachtung reicht, steht: "Keine Plastikverpackungen mehr", mit sieben Ausrufezeichen dahinter. Ein anderes zeigt schwarze Fischumrisse auf blauem Hintergrund: "Weniger Plastik in den Meeren" ist über der Zeichnung zu lesen.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Ums Meer sorgen sich in Wien auch Judith und Christiane. Und dabei ist nicht jenes der Wiener – der Neusiedlersee – gemeint, das gerade trocken liegt. Besonders kunstvoll ist ihr Banner gestaltet: "Haltet die Meere rein" steht auf ihm. Auf der Rückseite finden sich Wassertierchen, vorne drei Meerjungfrauen, deren Flossen aus bunten Stoffen aufgenäht sind.

Hinten Meeressäuger, vorne Meerjungfrauen.
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"Es geht nicht nur um Klimaschutz in Österreich, sondern auch um den internationalen", erzählen die Frauen. Klimaschutz könne nicht nur lokal passieren. Mit ihrer Teilnahme an der Demonstration wollen sie die Politiker motivieren, "nicht auf den Klimaschutz zu vergessen", nur weil "so viele andere Themen auch wichtig sind". Je mehr Leute auf die Straße gehen, umso mehr werde das Thema auch trotz der Pandemie und Krieg wieder präsent, glauben die beiden Frauen. Dabei gehe es auch um das Bewusstsein jeder Einzelnen: "Jeder muss handeln – im Kleinen und im Großen."

Aktivistinnen appellieren auch an jeden Einzelnen.
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In acht Landeshauptstädten, allen außer dem burgenländischen Eisenstadt, gingen am Freitagnachmittag die Klimaaktivisten auf die Straße. In Wien zog die Demo von der Innenstadt in Richtung Praterstern und zur Venediger Au. Demonstriert wurde diesmal aber nicht ausschließlich für den Klimaschutz und die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Thema war in der Bundeshauptstadt auch der Krieg in der Ukraine. Am Ring formten Demoteilnehmende vor dem Mak mit Schildern in Gelb und Blau ein Peace-Zeichen.

Ein Peace-Zeichen im Aufbau.
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"Ich bin für den Ausstieg aus russischen Gas", sagt Clemens. Denn: "Damit finanzieren wir den Angriffskrieg in der Ukraine, und wir sind von Wladimir Putin vollkommen abhängig. Wenn er uns im Winter das Gas abdreht, dann haben wir nicht genug eigene Reserven", sagt der 25-jährige BWL-Student.

Auch er hat ein Schild dabei: "Nur Öffis bringen Verkehrsentlastung" ist darauf zu lesen. Besonders am Land seien die Leute noch immer aufs Auto angewiesen, um zur Arbeit zu kommen oder einkaufen zu gehen, kritisiert Clemens. Und: "Fliegen ist zu billig. Ich hab letztens einen Flug um 16 Euro nach Barcelona gefunden, aber zahl 25 Euro, wenn ich nach Salzburg mit dem Zug will – das steht in keiner Relation."

Für Öffis, gegen Kleiderverschwendung.
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Zu billig ist Helene auch die Herstellung in der Kleidungsindustrie. "Es ist arg, dass es auch billiger ist, etwas zu zerstören, als es zu spenden", kritisiert die 20-jährige Germanistikstudentin. "Es ist wirklich schockierend, wenn ich online etwas kaufe und es zurückschicke, wird es dann weggeworfen, um Kosten zu sparen", sagt auch ihre Freundin, die 21-jährige KSA-Studentin Sophie.

Demos in Landeshauptstädten

In Wien fand österreichweit mit mehreren Tausend Teilnehmenden die größte Demo statt. Rund 300 Personen zogen durch Bregenz, wo die Proteste schon am Vormittag starteten. Mit Parolen wie "Hoch mit dem Klimaschutz, runter mit der Hitze" und "Climate justice now" verlief die Route durch die Innenstadt bis vor das Vorarlberger Landhaus. 1.200 Personen protestierten in Graz, 500 in St. Pölten.

Der Demozug auf seinem Weg durch die Innsbrucker Altstadt, vorbei am Goldenen Dachl.
Foto: Daniel Papendieck

Auch in Tirol wurde am Freitag für Friedens- und Klimapolitik demonstriert. Rund 1.500 junge Klimaaktivistinnen und -aktivisten versammelten sich kurz vor 13 Uhr am Marktplatz, wo der Demozug startete. In Tirol ist Fridays for Future mit zwei voneinander unabhängigen Gruppen in Innsbruck und Kufstein stark verankert. Die Bewegung ist dezentral und über Online-Plattformen organisiert, weshalb es keine offiziellen Mitgliederzahlen gibt. Kathrin Albrecht, die der Innsbrucker Gruppe angehört, spricht von einem inneren Kreis von etwa 30 bis 60 Personen in der Landeshauptstadt, die sich vernetzen und die Aktionen planen. Diese fungieren wiederum in ihrem Umfeld als Multiplikatoren und tragen die Ziele und Inhalte weiter.

Unabhängig, aber gut vernetzt

Für die Demonstration am Freitag in Innsbruck haben beide Tiroler FFF-Gruppen ihre Kräfte gebündelt, sagt Albrecht. Zudem nahmen die Initiativen Parents for Future sowie Scientists for Future am Protest teil. "Wir tauschen uns mit ihnen aus, aber sie gestalten nicht unsere Forderungen mit. Wir sind davon unabhängig", erklärt Albrecht.

Fast zwei Stunden marschierten die Klimaaktivistinnen und -aktivisten durch Innsbruck.
Foto: Daniel Papendieck

FFF hielt zeitgleich international in mehr als 750 Städten und Ortschaften Demonstrationen ab. Doch untereinander sind die Gruppen wenig vernetzt. Daher wollen die Innsbrucker Aktivistinnen zum Fall der Ausladung einer Musikerin wegen ihrer Dreadlocks bei einer der deutschen Protestveranstaltungen auch keinen Kommentar abgeben: "Darüber wissen wir nichts, und wir kennen diese Gruppe auch nicht." Prinzipiell sprechen sich die Tiroler FFF-Aktivistinnen gegen die Vereinnahmung ihrer Bewegung durch Parteien jedweder Couleur oder sonstige Gruppierungen aus, wie Joanna Geschew betont: "Es geht uns darum, Aufmerksamkeit und Bewusstsein für das Thema Klimawandel zu schaffen."

Konkrete Forderungen und politische Selbstkritik

Neben der Forderung, angesichts des Krieges in der Ukraine einen Importstopp für Gas und Öl aus Russland zu verhängen, wurde in Innsbruck auch sehr konkrete Kritik am Handeln der Landesregierung geäußert. So erachten sie die Nachhaltigkeits- und Klimakoordination, die das Land eingerichtet hat, als zu zahnlos. "Bei allem Respekt, das ist eine Absichtserklärung, aber es braucht verpflichtende Maßnahmen", lautete die Kritik einer Rednerin. Insgesamt war immer wieder zu hören und auf Protestschildern zu lesen, dass die Jugendlichen schnelleres und konkretes Handeln der politisch Verantwortlichen fordern.

Vor dem Landestheater endete die Innsbrucker Demonstration nach einigen Abschlussreden.
Foto: Steffen Arora

Diese Kritik konnte Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) nachvollziehen, der sich dem Demozug ein Stück weit angeschlossen hatte: "Sie haben recht, wenn sie kritisieren, dass die Veränderungen zu langsam passieren." Er selbst nimmt sich dabei nicht von der Verantwortung aus, wie er sagt: "Wir müssen schneller werden. Auch wenn es eine Herkulesaufgabe ist, etwas zu bewegen." Umso mehr Respekt habe er vor den Aktivistinnen: "Diese jungen Leute leben, was sie fordern, das finde ich toll." Dass FFF gerade in "seiner" Stadt so großen Zulauf habe, werte er als "sehr positives und wichtiges Zeichen".

Frust wegen Ignoranz der Politik

Die Tiroler Aktivistinnen selbst bemerken angesichts der Untätigkeit der Politik in ihrer Bewegung gewisse Ermüdungserscheinungen. "Nach drei Jahren ist bei manchen Frust zu spüren. Es ist immer öfter Thema, ob wir andere Mittel des Protests brauchen, ob wir radikaler werden müssen. Zugleich sind viele dagegen und wollen das nicht mittragen", beschreiben Geschew und Albrecht die internen Diskussionen. Die gut besuchte Demo am Freitag werten sie als Erfolg, der vorerst wieder Auftrieb gibt.

Doch zugleich sind die Hoffnungen in die Politik nach den Tiroler Gemeinderatswahlen im Februar weiter gesunken. FFF hatte versucht, die Kommunalpolitik für das Klimathema zu sensibilisieren, mit Vorschlägen und Ideen, wie man Gemeinden klimafit machen kann. Doch abgesehen von einigen grünen Listen erhielten sie so gut wie keine Rückmeldungen, sagen sie. Die jungen Menschen hätten dadurch immer mehr das Gefühl, von den Entscheidungsträgern mit ihren Sorgen ignoriert zu werden.

Regionale Forderungen in Salzburg

In der Landeshauptstadt Salzburg demonstrierten mehrere hundert Personen im Rahmen des Klimastreiks. Die Polizei spricht von rund 800 Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Der Demozug startete am Nachmittag am Bahnhofsvorplatz und führte quer durch die Stadt Salzburg bis auf den Residenzplatz.

Der Klimastreik stand in Salzburg auch im Zeichen des Protestes gegen den Ausbau der Mönchsberggarage.
Foto: Thomas Neuhold

Inhaltlich auffallend ist, dass die FFF-Bewegung in Salzburg neben den bundesweit erhobenen allgemeinen Forderungen einen starken regionalen Aufhänger hat. Heftige Kritik wurde auf Plakaten und Transparenten am geplanten Ausbau der Altstadtgaragen auf knapp 2.000 Stellplätze geübt. Am Donnerstag wurde ein Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs bekannt, nach welchem für den Garagenausbau keine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist.

Schon im Demoaufruf hatte das Organisationskomitee die Mönchsberggarage in den Mittelpunkt gestellt: "Das Land Salzburg hat sich das klare Ziel gesetzt, bis 2030 den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Und dennoch wird sich immer noch dafür entschieden, die Mönchsberggarage auszubauen und damit den Autoverkehr in Salzburg noch weiter zu stärken. Für uns und die nächsten Generationen ist es nicht hinnehmbar, im Jahre 2022 40 Millionen Euro für noch mehr Auto-Parkplätze auszugeben."

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Greta Thunberg ging in Stockholm auf die Straße.
Foto: AP/Paul Wennerholm/TT

Die Erfinderin der Schulstreiks, Greta Thunberg, marschierte in Stockholm mit den Aktivistinnen und Umweltschützern. Sie brachte ihr berühmtes Schild mit dem schwedischen Schriftzug "Schulstreik fürs Klima" mit.

Anlässlich des globalen Klimastreiks machte auch die Umweltschutzorganisation WWF auf "die massive Energieverschwendung" aufmerksam und forderte einen "raschen Ausstieg aus fossiler Energie", wie es in einer Aussendung hieß: "Wir müssen endlich raus aus den Fossilen. Damit eine naturverträgliche Energiewende gelingen kann, muss die Politik vor allem die anhaltende Energieverschwendung stoppen und unseren Verbrauch um die Hälfte reduzieren", sagte WWF-Klimasprecher Karl Schellmann.

Kritik an Stadt und Bund

"Sie sind enttäuscht ob der Untätigkeit der Grünen", sagte Neos-Jugendsprecher im Parlament Yannick Shetty zu den Streiks. "Sie sind wütend ob der vielen leeren Versprechen der ehemaligen Umweltpartei. Sie sind besorgt um die Zukunft von ganzen Generationen." Die Klimakrise lasse sich nicht mit "PR und Freunderlwirtschaft weglächeln". Auch Shetty forderte die Regierung auf, alles daranzusetzen, "dass wir endlich rauskommen aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern". ÖVP und Grünen würden "der Mut zur Erneuerung, um beim Klimaschutz endlich Meter zu machen", fehlen.

Die FPÖ Wien bezeichnete den Umstand, dass der Aktionstag von Fridays for Future als "schulbezogene Veranstaltung" gelte, als "vollkommen inakzeptabel". Klubchef und Bildungssprecher Maximilian Krauss sah die Kinder und Jugendlichen damit indirekt zum "Schulschwänzen" verleitet. Die Schülerinnen und Schüler würden von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) zu "Berufsdemonstranten erzogen", wo das ende, habe Wien "bei der Belagerung der Stadtstraßen-Baustelle" gesehen.

Der Schneemann muss bleiben.
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Eine, die so einen Schulausflug auf die Demo gemacht hat, ist Klara. "Wir haben in der Schule ein Modul, das heißt Tier- und Umweltschutz", sagt die 16-jährige Wienerin. Im Zuge des Unterrichts sei sie mit ihren Klassenkolleginnen auf Exkursion gegangen. "Die Menschen sollen sich mehr um das Klima und den Umweltschutz bemühen", findet die Schülerin. Damit es auch künftig noch genügend Schnee gibt. Und Schneemänner wie Olaf, der Freund von Eiskönigin Elsa und deren Schwester, auch künftig gebaut werden können. (Steffen Arora, Oona Kroisleitner, Thomas Neuhold, 25.3.2022)