Große Digitalkonzerne wie Google, Apple und Facebook müssen sich auf eine Reihe neuer EU-Regeln einstellen.

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"Eine neue Ära der Regulierung im Technologiebereich" soll der Digital Markets Act (DMA) einleiten. Das EU-Gesetz sieht vor, dass sich Messenger wie Whatsapp der Konkurrenz öffnen müssen. Aber auch, dass Giganten wie Apple alternative App Stores auf dem iPhone erlauben – womit dessen Monopol gebrochen werden könnte. Am Donnerstagabend haben sich Kommission, Rat und Parlament auf einen Kompromiss geeinigt. Tatsächlich beinhaltet dieser eine Reihe von Regulierungen, die für Big Tech schmerzhaft sein dürften. Einige Fragen bleiben aber offen.

Das Gesetz ist ambitioniert. Immerhin sollen damit Versäumnisse der vergangenen 20 Jahre aufgeholt werden. Niemand erwartete sich damals, dass Konzerne wie Facebook, Google oder Apple eine so zentrale Rolle in unserem Leben spielen würden. Von Jahr zu Jahr haben diese es geschafft, Kundinnen mit neuen Diensten und Produkten immer enger an sich zu binden.

Das wird sich ändern

Diese Entwicklung soll nun gestoppt werden, zum Beispiel mit der eingangs erwähnten Interoperabilität von Messengern. Den Markt dominieren Whatsapp, der Facebook Messenger und iMessage. Wer mit seinen Freundinnen kommunizieren will, muss hoffen, dass diese denselben Service nutzen – oder mehrere Apps installieren. Nicht mehr lange. Der DMA verpflichtet die größten Akteure dazu, einen plattformübergreifenden Nachrichtenversand zu ermöglichen. Zumindest dann, wenn kleinere Anbieter das überhaupt möchten.

Selbstverständlich ist das nicht. Immerhin birgt die Öffnung des eigenen Systems eine Reihe von Sicherheitsrisiken, die nicht alle eingehen wollen. Anbieter wie Signal, die stark auf Privatsphäre setzen, könnten sich dagegen sträuben. Ähnliche Kritik kommt vom Sicherheitsexperten Alec Muffett. "Das ist ein die Privatsphäre zerstörender, die Verschlüsselung zunichtemachender, innovationsfeindlicher Vorschlag, gekleidet in ein Antimonopolgewand", schreibt er auf sozialen Medien.

Mögliche Schlupflöcher

Dennoch sei die Maßnahme wichtig, sagt Jan Penfrat, Senior Policy Advisor bei European Digital Rights (EDRi). Damit sie ihre Wirkung entfalte, müssten auch nicht alle Akteure mitspielen. Er geht davon aus, dass sich einige Anbieter für die Öffnung interessieren könnten, was im Zweifelsfall ausreiche, um "das Ökosystem wieder für Innovation und Vielfalt zu öffnen".

Gleichzeitig betont er, man müsse die Durchsetzung des DMA abwarten. Gatekeeper könnten versuchen, Verpflichtungen über rechtliche Schlupflöcher zu umgehen. "Whatsapp könnte zum Beispiel versuchen, die Interoperabilität mit anderen Messengern mit schlechter oder unzuverlässig funktionierender Technik zu unterwandern."

Ähnliches gilt für die Verpflichtung der Plattformbetreiber, alternative App Stores zu erlauben. Eine Regelung, die primär Apple zu spüren bekommen wird. Der Konzern wehrt sich gegen eine Öffnung des eigenen Ökosystems. Wohl auch deshalb, weil er bei Transaktionen eine Provision von bis zu 30 Prozent einfährt. Nach außen wird die Einschränkung mit Sicherheitsbedenken argumentiert – eine Taktik, die der iPhone-Hersteller laut Penfrat weiterhin verfolgen könnte.

Prominent beworben wurde zudem das Verbot, Daten unterschiedlicher Dienste miteinander zu verbinden. Wenn jemand also Facebook und Instagram nutzt, darf Meta keinen gemeinsamen Datensatz erstellen. Dasselbe gilt für Alphabet bei Youtube und Google Maps. Zumindest theoretisch. In der Praxis hängt die Wirkung dieser Regeln nämlich von der Präzision des Gesetzestextes ab – und davon, ob dieser betroffenen Konzernen die Möglichkeit gibt, unterschiedliche Dienste als zusammenhängend darzustellen. Nicht umsonst versucht Meta seit Jahren, seine Produkte miteinander zu verweben.

Flexible Lösung

Betroffen von all diesen Regulierungen sind nur sogenannte Gatekeeper, also Digitalkonzerne, die Plattformdienste wie Internetbrowser, Messenger oder soziale Medien anbieten und mindestens 45 Millionen monatliche Nutzerinnen in der EU haben. Außerdem müssen sie einen Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro oder eine Marktkapitalisierung von 75 Milliarden Euro aufweisen. Das bietet den Gesetzgebern eine gewisse Flexibilität, um auf neue Techkonzerne reagieren zu können, ohne den Gesetzestext regelmäßig anpassen zu müssen.

Der Digital Markets Act ist also ein wichtiger und mutiger Schritt in die richtige Richtung. Wie weitreichend die Auswirkungen des Gesetzes in der Praxis sein werden, hängt jedoch stark davon ab, wie vehement die EU-Kommission bei der Durchsetzung von Maßnahmen agieren wird. (Mickey Manakas, 26.3.2022)