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Der Oscar kämpft gegen sinkende Zuschauerzahlen: Das Publikum soll heuer stärker integriert werden.

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Ablauf: Drei Komikerinnen und ein Ukraine-Act

Nach der Corona-bedingten Miniaturausgabe der Oscar-Verleihung im vorigen Jahr kehrt man am Sonntagabend wieder in das Dolby Theatre in Hollywood und zum Prinzip der großen Gala zurück. Auch die unbedankte und deshalb schwer zu besetzende Moderation wird es wieder geben, und zwar durch ein weibliches Trio: Die im komischen Fach bewährten Schauspielerinnen Amy Schumer, Regina Hall und Wanda Sykes stehen in den Startlöchern, um die Zuschauerzahlen mit zündenden Dialogen wieder in die Höhe zu treiben.

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Das Moderationstrio: Regina Hall, Amy Schumer and Wanda Sykes.
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Einen kleinen Vorgeschmack darauf lieferte Hall in einem Interview: "Drei Vaginen starten die Show, wir fangen also heiß an." Auch Schumer will konfrontativ sein – zumal gegenüber den geladenen Gästen. Außerdem plädierte sie dafür, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj per Liveschaltung einzubeziehen – etwas, das der neue Produzent der Show, Will Packer, bis zuletzt nicht ausschließen wollte. Ein Beitrag zum Krieg in der Ukraine sei fix eingeplant. Die Liste der Präsentatoren ist lang und reicht von den Vorjahresgewinnern Anthony Hopkins, Bill Murray, Lady Gaga über die Tennis-Stars Venus und Serena Williams bis zu Mila Kunis, die zuletzt mit ihrem Engagement für Ukraine-Spenden von sich Reden machte.

Packer muss die Show auf drei Stunden begrenzen. Auf Liveacts der oscarnominierten Originalsongs von Beyoncé, Billie Eilish und Finneas, Sebastián Yatra und Reba McEntire wird man allerdings nicht verzichten. Auch eine Hommage auf das James Bond-Franchise und den Paten steht auf dem Programm. Letzterer feiert sein 50-Jahr-Jubiläum, Francis Ford Coppola bekam unlängst seinen verdienten Stern am Hollywood Boulevard. Und die Reden? Die sollen gut vorbereitet und konzise sein.

Kontroverse: Die gekürzten Kategorien

Um den Abwärtstrend bei den TV-Quoten zu stoppen, entschied sich die Academy zu einem gewagten Schritt. Acht der angeblich weniger glamourösen Auszeichnungen finden nicht mehr live statt, sondern werden vorab aufgezeichnet und dann in kürzerer Form in die Show integriert. Betroffen sind Make-up, Originalmusik, Produktionsdesign, Ton, Dokumentarfilm, Animationsfilm und Live-Action-Kurzfilm sowie Schnitt.

Die Entscheidung führte zu heftiger Kritik von verschiedenen Gilden, Branchenverbänden und nominierten Filmemachern wie Steven Spielberg und Jane Campion. 70 Prominente vom Film – darunter James Cameron, John Williams und Guillermo del Toro – forderten die Academy in einem Brief auf, den Plan rückgängig zu machen, da er dem Ruf der Gala "irreparablen Schaden" zufügen würde. Einige Nominierte würden in den "Status von Bürgern zweiter Klasse" zurückversetzt.

Wie stark der Druck der Fernsehstation ABC sein muss, die zum Disneyk-Konzern gehört, zeigt sich an einer weiteren Aktion, für die man dann in der Gala sehr wohl Platz findet: Mit den Hashtag-Kampagnen #OscarFanFavorite und #OscarsCheerMoment wird während der Übertragung eine Form von populärer Abstimmung eingeführt, mit der man die Show für die breite Bevölkerung interessanter zu machen versucht.

Der Film mit den meisten Stimmen wird während der Sendung ausgezeichnet – und zwar unabhängig davon, ob er eine Oscarnominierung hat. Gut möglich, dass auf diese Weise ein Film wie Spiderman: No Way Home zu seinem "Recht" kommt. Den Mangel an Blockbustern hatten manche aus der Branche als Problem gesehen. Wie schrieb der Guardian dazu treffend: "Armer reicher Film".

Kampf: Fotofinish beim besten Film

Lange hatte es so ausgesehen, als sei Jane Campions bereits vielfach ausgezeichnetes Western-Psychodrama The Power of the Dog der sichere Gewinner bei den Oscars – nicht nur aufgrund seiner zwölf Nominierungen. Doch auf den letzten Metern hat nun Coda von Siân Heder just in der Kategorie des Besten Films fast zu ihm aufgeschlossen. Der Coming-of-Age-Film über eine junge Frau, die als Einzige ihrer Fischerfamilie nicht gehörlos ist, hat durch Preise von der Producers Guild und Screen Actors Guild Rückenwind erhalten. Etwas abgeschlagener an dritter Stelle rangiert Kenneth Branaghs Kindheitsdrama Belfast.

Ein Handicap für Campions Film könnte auch Netflix sein, denn der Streamer gilt unter den Academy-Mitgliedern als unpopulär. Der Regie-Oscar dürfte der Neuseeländerin beim zweiten Anlauf jedoch nicht mehr zu nehmen sein. Umkämpfter sind die Schauspiel-Kategorien: Will Smith liegt als Tennisvater in King Richard voran, doch auch Benedict Cumberbatch ist als queerer Cowboy (The Power of the Dog) gut im Rennen. Ähnlich bei den Frauen, bei denen Jessica Chastain in The Eyes of Tammy Faye als überschminkte TV-Predigerin knapp vor Nicole Kidman (Being the Ricardos) liegt.

Das ist aber noch gar nichts gegen die beiden Drehbuch-Kategorien, bei denen alles passieren kann. Maggie Gyllenhaal könnte mit The Lost Daughter bei den adaptierten Stoffen lachende Dritte im Kampf zwischen Campion und Heder sein. Oder der japanische Regisseur Ryosuke Hamaguchi wird zur Oscar-Überraschung und gewinnt für Drive My Car neben dem ihm sicheren für den besten internationalen Film einen weiteren – die global angewachsene Academy könnte es wahrmachen. (Dominik Kamalzadeh, 27.3.2022)