Da war die Welt noch eine andere: Außenminister Sebastian Kurz und Familienministerin Sophie Karmasin im Herbst 2017.

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Sehr viel ausgesagt hat die frühere Meinungsforscherin Sophie Karmasin bisher noch nicht. Das war auch vergangenen Dienstag nicht anders, als sie in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, wo sie derzeit in Untersuchungshaft sitzt, einvernommen wurde. Die Staatsanwälte von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) konfrontierten Karmasin mit Chats aus ihrem Handy.

Die stammen vor allem von Gesprächen mit Sabine B., ebenfalls Meinungsforscherin und einst enge Vertraute Karmasins. B. wird vorgeworfen, in Studien für das Finanzministerium parteipolitische Fragestellungen mitverpackt zu haben, was der ÖVP zugutegekommen sei. Erschienen sind Ergebnisse dieser Studien in der Mediengruppe Österreich, bezahlt hätte meistens das Ministerium. Karmasin soll das in ihrer Zeit als Ministerin (2013–2017) eingefädelt und mitkassiert haben. Beschuldigt sind in dieser Sache auch Thomas Schmid, der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, ein einstiger Abteilungsleiter dort, die Medienmacher Helmuth und Wolfgang Fellner sowie enge Berater von Altkanzler Sebastian Kurz – und dieser selbst, was letztlich auch zu seinem Rücktritt geführt hat. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Heikle Chats

Kurz bestreitet, dass er mit den Umfragen und Studien etwas zu tun gehabt habe. Die Staatsanwälte dagegen gehen von einem gemeinsamen Tatplan aus. Und dafür wollen sie in Karmasins ausgewerteten Nachrichten ein neues Indiz gefunden haben. Sie konfrontierten Karmasin in deren Einvernahme mit einem Chat zwischen ihr und B., der am 6. Juni 2017 stattgefunden hat. Darin weist Karmasin B. an, Infos über die Ergebnisse einer Umfrage "direkt an Gerald Fleischmann" zu schicken, also an Kurz' Medienberater. Sie soll ihn anrufen, das sei "so mit Sebastian besprochen".

Feedback für B.s Umfragen gab es immer wieder auch von Karmasin selbst, die sogar vorschlug, B. solle Zahlen an Karmasins offizielle E-Mail-Adresse im Familienministerium schicken. Besser sei es aber telefonisch. Was genau hinter all dem steckt und wie Karmasin selbst ihre Rolle beschreiben würde, darüber erfuhren die Ermittler bisher freilich nichts. Karmasins Antwort lautete dazu stets: "Ich möchte auch zu diesen Fragen derzeit inhaltlich keine Aussage treffen." Zeit, sich auf diese Fragen vorzubereiten, hatten Karmasin und ihre Anwälte Norbert Wess und Philipp Wolm allerdings keine: Die Chats waren bis zur Einvernahme nicht in den Unterlagen zur Akteneinsicht gelegen.

Kurz' Anwalt Werner Suppan sagt: "Entscheidend ist nach wie vor, dass Sebastian Kurz nichts über die mögliche illegale Finanzierung von Umfragen gewusst hat. Insofern ist das nichts Neues." Die Vorwürfe gegen die frühere Familienministerin wiegen jedenfalls schwer: Gegen sie wird wegen des Verdachts auf Untreue, Bestechlichkeit, Geldwäscherei, Preisabsprachen und neuerdings auch schweren Betrugs ermittelt. Letzterer Verdacht ist darauf zurückzuführen, dass Karmasin nach ihrer Zeit als Ministerin einen Antrag auf Bezugsfortzahlung gestellt und dabei laut WKStA verschwiegen hatte, dass sie bereits wieder verdient habe. Die Rückzahlung der rund 50.000 Euro Bezugsfortzahlung sei bereits eingeleitet worden, sagte Karmasins Anwalt dazu, weil die Optik "nicht gut" sei.

Beschwerde gegen Untersuchungshaft

Dass Karmasin wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen wurde und bleiben muss, ist unter Juristinnen und Juristen recht umstritten. Der zuständige Richter hat am 15. März die Fortsetzung der Untersuchungshaft beschlossen und auch den Antrag auf eine Fußfessel abgewiesen. Er sieht in Karmasins erster Stellungnahme zum Teil "unglaubwürdige Schutzbehauptungen" und sieht immer noch Tatbegehungsgefahr. Sie sei nicht nur "der Versuchung einer einmaligen Gelegenheit erlegen", sondern habe nach dem Tatverdacht aktiv laufend "Tatmodalitäten entworfen", um sich "unrechtmäßig zu bereichern". Der Richter spricht von "mutmaßlich hoher krimineller Energie".

Gegen diese Entscheidung haben Karmasins Anwälte nun eine Haftbeschwerde eingebracht. Sie wiederholen, dass ihre Mandantin schon im November 2021, nach der ersten Hausdurchsuchung in der Sache, beschlossen habe, beruflich quasi ein neues Leben zu starten. Sie monieren, dass das Gericht ihre Anstrengungen, mit denen sie die Tatbegehungsgefahr entkräften möchte, nicht gelten ließe, sondern daraus "wieder einen neuen 'Vorwurf'" gegen Karmasin machte. Wie sie "in ihrer geänderten beruflichen Position im Bereich der Psychotherapie strafbare Handlungen derselben oder ähnlicher Art wie die ihr zur Last gelegten begehen sollte, erscheint undenkbar (…)" und werde vom Erstgericht auch nicht erklärt. Die Medienberichterstattung über die Beschuldigte sei derzeit "erschlagend". Für den Fall, dass die U-Haft bleibt, beantragt Karmasin Hausarrest (Fußfessel); sie würde zudem zahlreiche Gelöbnisse abgeben, wie etwa freiwillige Aufzeichnungen über ihre Kommunikation per Telefon und E-Mail zu übermitteln. (Renate Graber, Fabian Schmid, 25.3.2022)