Egal womit sich die heimische Politik dieser Tage befasst – eines fällt sofort auf: Österreichs politisches Personal hat ein wachsendes Qualitätsproblem. Das ist nicht nur schlecht für die Parteien, es wird zunehmend auch zum Problem für die Demokratie.

Man muss sich fragen, ob das "System Demokratie" überhaupt noch funktionieren kann, wenn auf vielen Ebenen handwerklich gepatzt wird. Nun mag man einwenden, dieser Vorwurf sei verallgemeinernd und daher ungerecht. Ja, es gibt immer noch diejenigen, die in U-Ausschüssen Missstände aufdecken, im Pandemie-Management tadellos agieren, jene, die sehr gute Arbeit leisten. Allerdings fallen sie gerade nicht positiv auf, da Fehler, das Beharren auf kleinlichen Eigeninteressen und Unkoordiniertheit so sehr ins Auge stechen.

Sitzungssaal des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg.
Foto:APA/ROLAND SCHLAGER

Man nehme die Corona-Politik der Bundesregierung: Gerade erst hat man mit einiger Verspätung die eben abgeschaffte Maskenpflicht wieder eingeführt – und die Verordnung ist so kompliziert, dass sich kaum jemand auskennt. Oder die Impfpflicht: erst eingeführt, dann schlecht gemacht, zuletzt ausgesetzt. Quarantänebestimmungen? Soll jeder selbst entscheiden. Maßnahmen in der Schule? Gesundheits- und Bildungsminister können sich nicht einmal darauf einigen, wer genau wofür zuständig ist. All das passiert, während die Omikron-Variante durch Österreich rast. Auf einen klaren Plan für den Herbst wartet man weiter vergeblich.

Ein weiteres Beispiel ist der Umgang mit den steigenden Energiepreisen: Erst wird ein Gipfel mit allen Größen der heimischen Energiewirtschaft einberufen, dann kommt nichts dabei heraus, am Ende war alles nur als "Informationsaustausch" gedacht. Zwei Wochen später wird zum Sonntagsbraten ein Zwei-Milliarden-Paket geschnürt, mit dem alle gleichermaßen unzufrieden sind.

Plan von der Zukunft

Zu schlechter Letzt nehme man die Neutralitätsdebatte: Der Bundeskanzler hat sie kurzerhand für beendet erklärt. Das geht schon einmal gar nicht in einem demokratischen Land. Die türkise Verteidigungsministerin richtet dem grünen Koalitionspartner derweil über die Medien aus, dass sie das Verteidigungsbudget zu verdoppeln gedenkt – immerhin müsse man sich künftig besser verteidigen. Das ist, zumindest, keine gute Art, miteinander umzugehen. Währenddessen getraut sich die SPÖ vor lauter Neutralitätsskrupeln nicht, den ukrainischen Präsidenten ins Parlament einzuladen, und gibt damit jeglichen außenpolitischen Anspruch auf. Und die Parteichefin feilt derweil an ihrer großen "Kanzlerinnenrede".

Man fragt sich, was da los ist. Menschen, deren Beruf es ist, die politischen Geschicke eines Landes zu leiten, sollten jedenfalls anders agieren. Sie sollten einen Plan von der Zukunft haben, mit Leidenschaft dafür arbeiten – und das auf höchster professioneller Ebene.

Dass es daran oft hapert, hat viele Gründe. Einer davon ist, dass der Beruf des Politikers an Attraktivität verloren hat – immer weniger Menschen wollen sich "das antun": lange Arbeitszeiten, ständiger Druck, Dauerbeobachtung durch die Öffentlichkeit, zunehmend auch Hassattacken in sozialen Medien.

Das alles ist menschlich verständlich. Aber demokratisch nicht hinnehmbar. Dieser wichtige Beruf muss wieder attraktiver werden. Die Besten der Besten müssen ihn ausüben wollen. Denn es ist gefährlich, wenn das Niveau der Politik sinkt – es macht Demokratien angreifbar. (Petra Stuiber, 26.3.2022)