SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht sich auf dem Weg ins Kanzleramt. In Umfragen liegt die SPÖ mittlerweile klar auf dem ersten Platz. Doch nicht alle in der Partei wollen sie dorthin begleiten.

Foto: Regine Hendrich

Pamela Rendi-Wagner bereitet sich auf ihre Rede vor. Am Sonntag wird sie in der Aula der Akademie der Wissenschaften ihr Wort an die Nation richten. Die Veranstaltung trägt den Titel "Ein Land. Eine gemeinsame Zukunft", intern "Kanzlerinnen-Rede" genannt, denn es ist klar, worauf die SPÖ-Chefin abzielt. Spätestens 2024, also in zwei Jahren, wenn regulär Nationalratswahlen stattfinden, will die SPÖ, will Rendi-Wagner den Anspruch auf das Kanzleramt stellen.

Die Aussichten erscheinen derzeit nicht schlecht: Eine am Freitag in der Gratiszeitung Heute veröffentlichte Umfrage von Unique Research sieht die Sozialdemokraten mit 29 Prozent klar am ersten Platz. Der Vorsprung zur zweitplatzierten ÖVP ist im Vergleich zu anderen Umfragen der jüngeren Zeit noch gewachsen. Die derzeitige Kanzlerpartei ÖVP scheint mit 22 Prozent klar abgeschlagen. Die FPÖ wäre mit 19 Prozent am dritten Platz. Die Grünen liegen in dieser Umfrage bei elf, die Neos bei neun und die Liste MFG bei immerhin acht Prozent.

In der SPÖ sorgt diese Umfrage für Hochstimmung. Man schramme immerhin an der 30-Prozent-Marke. Mit etwas Häme verweist man auf das Ergebnis der derzeitigen Regierungskoalition: ÖVP und Grüne kommen gemeinsam nur auf 33 Prozent, sind also von einer Mehrheit im Nationalrat weit entfernt.

Fünf ehemalige Kanzler

In der an der Wollzeile gelegenen Akademie werden am Sonntag auch Rendi-Wagners Vorgänger als Parteichefs in der ersten Reihe als Ehrengäste Platz nehmen, allesamt ehemalige Kanzler: Franz Vranitzky ist angesagt, ebenso Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern. Deren Erscheinen soll der Veranstaltung noch mehr Gewicht und auch eine gewisse staatstragende Note verleihen. Die fünf ehemaligen SPÖ-Kanzler sind gemeinsam noch nie aufgetreten.

Interessant ist allerdings auch, wer fehlen wird. Der burgenländische SPÖ-Chef und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil etwa, ein parteiinterner Kritiker und Konkurrent von PRW, wie Rendi-Wagner in ihrem Umfeld kurz genannt wird. Doskozil lässt sich entschuldigen: Seine Lebensgefährtin, eine Deutsche, hat Geburtstag, diesen wird Dosko mit ihr in Stuttgart feiern. Da hätte Rendi schon ein wenig früher einladen müssen, so war das leider zu kurzfristig.

Zukunft Österreichs

Die Themen, die Rendi-Wagner ansprechen will, reichen von sozialer Sicherheit, Bildung und Wissenschaft über Sicherheitspolitik, Europa und Wirtschaft bis hin zur Energiewende. Es gehe um die Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben, die Österreich vor sich hat. Die SPÖ-Vorsitzende werde ihre Vorstellungen für die Zukunft Österreichs skizzieren.

So rosig die Umfragewerte für die SPÖ erscheinen, sie lassen sich nicht eins zu eins auf Rendi-Wagner als Kanzlerkandidatin umlegen. Im aktuellen APA/OGM-Vertrauensindex schneiden nicht nur die Vertreter der aktuellen Koalitionsregierung beschämend schlecht ab. Auch SPÖ-Chefin Rendi-Wagner büßte zuletzt sechs Vertrauenspunkte ein und liegt aktuell bei einem Saldo von minus sechs. Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP liegt dagegen noch knapp im Plus, er hat sich in den jüngsten Umfragen als Kanzler gut halten können – jedenfalls besser als seine Partei.

Die Performance der Chefin

Warum die SPÖ derzeit so gut dasteht, fragen sich Beobachter, aber auch viele in der Partei selbst. An der Performance der Chefin könne es nicht liegen, denn die habe sich nicht verändert – nicht verbessert, aber auch nicht verschlechtert. Es liegt wohl zu einem guten Teil an der desaströsen Performance der Bundesregierung, die Rendi-Wagner am Sonntag auch geißeln wird.

Auch wenn der permanente Streit zwischen Doskozil und Rendi-Wagner sicher nicht zum positiven Erscheinungsbild der Partei beiträgt, haben die drei rot geführten Bundesländer Burgenland, Kärnten und vor allem Wien doch dazu beigetragen, dass die SPÖ besser dasteht als noch vor einem Jahr. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig gilt als ernstzunehmender Gegenspieler von Kanzler Nehammer. Ludwig ist die einflussreichste Person in der SPÖ, wichtiger als die Parteichefin und bedeutender als der Kollege im Burgenland. Und anders als Doskozil wird Ludwig am Sonntag sehr wohl in der Aula Platz nehmen und der SPÖ-Chefin applaudieren – als demonstratives Bekunden seines Wohlwollens und seiner Unterstützung. (Michael Völker, 26.3.2022)