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US-Präsident Joe Biden wurde in seiner Rede in der polnischen Hauptstadt sehr deutlich. Er erwarte einen "langen Kampf" der Demokratien gegen Autokratien.

Foto: AP / Petr David Josek

Warschau – In einer mit Spannung erwarteten Rede hat US-Präsident Joe Biden in der polnischen Hauptstadt Warschau offen zum Sturz des russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgerufen. "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben", sagte Biden zum Abschluss seiner Rede. Putin sei "einzig und alleine" für den Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland verantwortlich. Wenig später stellte das Weiße Haus jedoch klar, dass man mit den Aussagen nicht zu einem Regimewechsel aufgerufen haben will.

Russland reagierte unterdessen prompt auf die deutlichen Worte des US-Präsidenten. Ein Kreml-Sprecher sagte, dass nicht Biden, sondern das russische Volk über Putin entscheide. "Der Präsident Russlands wird von den Russen gewählt", sagte er.

In seiner Rede betonte Biden zudem, dass Putin einen "großen strategischen Fehler gemacht" habe. Der Westen sei noch nie so geeint und das Bedürfnis nach Freiheit und Demokratie noch nie so groß gewesen.

"Nato ist ein Verteidigungs- kein Angriffsbündnis"

Die russische Kriegsbegründung, die Nato als imperalistisches Militärbündnis darzustellen, wies der US-Präsident scharf zurück. "Die Nato ist ein Verteidigungs- kein Angriffsbündnis", sagte Biden. Werde jedoch "nur ein Zentimeter Nato-Territorium" von Russland berührt, werde man dementsprechend handeln, wiederholte der US-Präsident ein Credo der vergangenen Wochen.

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In seiner Rede zog der US-Präsident auch Vergleiche zum Zerfall der Sowjetunion.
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In seiner Rede wandte sich Biden auch an Europa. Dieses müsse sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas lösen. Die USA wollen dabei helfen. Wirtschaftlich gesehen werde Russland schon mit den bestehenden Sanktionen aus den Top 20 der Welt fallen. Die Sanktionen gegen russische Oligarchen und Unternehmen hätten einen großen Einfluss.

Biden appellierte an die Menschen in Russland, sich von dem Krieg zu distanzieren. "Ihr, das russische Volk, seid nicht unser Feind." Doch die russischen Angriffe auf Zivilisten in der Ukraine, die Millionen Menschen in die Flucht getrieben hätten, entsprächen nicht einer großen Nation. "Das entspricht nicht dem, was Ihr seid, das ist nicht die Zukunft, die Ihr für eure Familie verdient", sagte Biden. "Dieser Krieg ist eurer nicht würdig." Er erinnerte daran, dass bereits 200.000 Russen ihr Heimatland verlassen hätten. Als "eine Lüge" und "einfach nur zynisch und außerdem obszön" bewertete Biden die Darstellung des Kreml, wonach Russland in der Ukraine eine "Denazifizierung" vornehme.

"Langer Kampf" der Demokratien gegen Autokratien

In seiner kämpferischen Rede machte Biden klar, dass die Welt ein "langer Kampf" der Demokratien gegen die Autokratien erwarte. Es gehe um eine "große Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer, die von brutaler Gewalt bestimmt wird. Wir müssen dabei klar sehen: Diese Schlacht wird nicht in Tagen geschlagen werden oder in Monaten. Wir müssen uns für einen langen Kampf stählen", sagte der inmitten des Zweiten Weltkriegs geborene US-Präsident.

Unter Verweis auf historische Erfahrungen zeigte sich Biden überzeugt, dass sich der Freiheitswille der Menschen letztlich durchsetzen werde. Er erinnerte diesbezüglich an den Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs, wobei er konkret auch das Paneuropäische Picknick an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn im Sommer 1989 erwähnte. Sowohl zu Beginn als auch am Ende seiner Rede zitierte der gläubige Katholik die historischen Worte aus der ersten Predigt von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978, "Fürchtet euch nicht!" Dem polnischen Geistlichen wurden danach große Verdienste im Kampf gegen die kommunistischen Diktaturen Mittel- und Osteuropas zugeschrieben.

Weitere russische Kritik: "Biden ist schwach"

Am Sonntag folgten weitere Reaktionen auf Bidens Rede. Der russische Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin warf dem US-Präsidenten "undiplomatische Äußerungen" und "Hysterie" vor. "Biden ist schwach, krank und unglücklich", kommentierte Wolodin bei Telegram. "Die US-Bürger sollten sich schämen für ihren Präsidenten. Womöglich ist er krank. Es wäre richtig, wenn Biden sich medizinisch untersuchen lassen würde." Putin hingegen verdiene wegen seiner "Zurückhaltung" Achtung. Russland hatte wegen der massiven Spannungen mit den USA zuletzt auch vor einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen gewarnt.

US-Außenminister Antony Blinken betonte indes: "Wie Sie wissen, und wie Sie uns wiederholt sagen hören, haben wir keine Strategie für einen Regimewechsel in Russland oder sonst irgendwo. Ich denke, der Präsident, das Weiße Haus, hat gestern Abend darauf hingewiesen, dass Präsident Putin ganz einfach nicht ermächtigt werden kann, Krieg zu führen oder sich an Aggressionen gegen die Ukraine oder irgendjemanden zu beteiligen", sagte Blinken zu Reportern bei einem Besuch in Israel in Jerusalem.

Der französische Staatschef Emmanuel Macron hat sich wiederum von Bidens Wortwahl distanziert. Der US-Präsident hatte Putin am Samstag wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine als "Schlächter" bezeichnet. Er würde diesen Begriff nicht verwenden, sagte Macron am Sonntag. Es gelte, "eine Eskalation der Worte wie der Handlungen" im Ukraine-Krieg zu verhindern. Macron sagte am Sonntag auch, er werde "morgen oder übermorgen" mit Putin sprechen, um eine Evakuierungsaktion für die Menschen in der von russischen Truppen eingekesselten Hafenstadt Mariupol organisieren zu können. Dies müsse nun sehr schnell erfolgen. (Matthias Balmetzhofer, red, APA, 26.3.2022)