
Pamela Rendi-Wagner machte am Sonntag eine klare Ansage: Sie will nächste Kanzlerin werden.
Pamela Rendi-Wagner hielt am Sonntag ihre "Kanzlerinnenrede". Der Zeitpunkt für diese Wahlkampfveranstaltung war etwas überraschend, weil es keinerlei Anlass dafür gibt, außer vielleicht die Verfasstheit der aktuellen Bundesregierung, die es nahelegt, dass sich andere in Stellung bringen und noch einmal mit Nachdruck auf sich aufmerksam machen. Da stellen sich klarerweise zwei Fragen: Kann Rendi-Wagner tatsächlich nächste Bundeskanzlerin werden? Und kann sie das überhaupt?
Wenn man sich die Umfragen anschaut, hat die SPÖ-Chefin tatsächlich gute Chancen, nächste Bundeskanzlerin zu werden. Die SPÖ liegt in Umfragen klar voran, das Vertrauen in die aktuelle Bundesregierung ist beschämend niedrig, und diese Werte spiegeln in etwa die Performance von Türkis-Grün wider, die keiner der beiden Koalitionsparteien zum Ruhm gereicht. Die Grünen haben ihre Chancen schlichtweg nicht nützen können, und die ÖVP badet derzeit das aus, was Sebastian Kurz angerichtet und hinterlassen hat. Wo es die Menschen drückt, bei der Teuerung, da bringt die Regierung nichts zustande, was tatsächlich hilft, und die Pandemiebekämpfung ist ohnedies ein Scherz, wenngleich die abschließende Pointe fehlt. Die Zusammensetzung der Bundesregierung ist schließlich nicht so, dass man von einem Kabinett der besten Köpfe sprechen könnte. Die hier angesammelte Kompetenz ist eher eine Androhung als eine Verheißung. Und wenn das so bleibt, scheint der Weg für Rendi-Wagner ins Kanzleramt geebnet zu sein.
Höhenflug der Sozialdemokratie
Damit ist aber auch klar, worin der augenblickliche Höhenflug der Sozialdemokratie begründet liegt: weniger in der eigenen Stärke als in der augenscheinlichen Schwäche der Bundesregierung. Was man der SPÖ in ihrem Gesamterscheinungsbild positiv anrechnen kann, ist die Performance der drei rot regierten Bundesländer, die allesamt solide bis gut durch die anstehenden Krisen steuern. Wien als Bundeshauptstadt gibt da ein gutes Beispiel ab.
Das führt zur zweiten Frage: Könnte Rendi-Wagner denn Bundeskanzlerin? Sie selbst hat in ihrer damaligen Zeit als Gesundheitsministerin eher im Hintergrund gewerkt, diese Frage lässt sich daher schwer mit Verweis auf ihre Regierungsverantwortung beantworten. Wenn man in ihre eigene Partei hineinhört, muss man wohl antworten: Na ja. Immer noch sind nicht alle davon überzeugt, dass sie die geeignete Kraft und Spitzenkandidatin ist, um die SPÖ wieder ins Kanzleramt zu führen. Die Rede war an die eigenen Leute gerichtet, Rendi-Wagner versucht damit Fakten zu schaffen. Das könnte gelungen sein. Aber die Ansage, Kanzlerin werden zu wollen, richtet sich über die Parteigrenze hinaus, das ist quasi ein verfrühter Wahlkampfauftakt.
Richtige Analyse
Die Rede am Sonntag war tadellos, die Inhalte richtig, die Analyse treffend, wenn auch wenig überraschend, die Dramaturgie stimmig, aber was sagt eine vorbereitete Rede denn schon über die Qualifikation aus? Die Kompetenz und Krisenfestigkeit einer Politikerin erkennt man allerdings erst dann, wenn sie mitten in der Herausforderung steckt.
Am Sonntag zeigte sich die SPÖ jedenfalls halbwegs geschlossen, und dass ausgerechnet Hans Peter Doskozil, dem selbst Ambitionen nachgesagt werden, als einziger roter Landesparteichef fehlte, spricht mehr gegen ihn als gegen die Bundesparteichefin in Wien.
Rendi-Wagners größte Wahlhelfer sitzen aber ohnedies im Kanzleramt und in den Ministerien: Wenn ÖVP und Grüne so weitermachen, werden wir uns bald erste Reihe fußfrei anschauen können, wie viel Können und Kompetenz hinter der roten Inszenierung stecken und ob Rendi-Wagner tatsächlich Kanzlerin kann. (Michael Völker, 27.3.2022)