Volkswagen-Konzernboss Herbert Diess will weg vom Verbrennungsmotor.

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Wer schlechte Nachrichten überbringt, der hat im besten Fall auch eine gute parat. Wie Thomas Schmall, der für Technologie verantwortliche Aufsichtsratspräsident des spanischen Autobauers Seat und Aufsichtsratsmitglied des Mutterkonzerns Volkswagen (VW), anlässlich der Jahresberichtspräsentation der spanischen VW-Tochter am Mittwoch vergangener Woche in Barcelona.

Immerhin schrieb Seat im zweiten Jahr der globalen Covid-19-Pandemie 2021 nach Steuern 256,3 Millionen Euro Nettoverlust, 32 Prozent mehr als noch 2020 (194 Mio. Euro). Rote Zahlen, die man in erster Linie auf Lieferengpässe bei Halbleiterchips schiebt.

Nachhaltige Energieversorgung

Die gute Nachricht aus Sicht des Konzerns lautet, dass die VW-Gruppe in der Hafenstadt Sagunt (Valencia) vier von knapp sieben Milliarden Euro aus den VW-Mitteln für die Mobilitätswende ("Future Fast Forward") in ein Batteriewerk für Elektroautos investieren wird. Drei Milliarden Euro fließen in die nachhaltige Umstellung der Energieversorgung der Automobilwerke in Martorell (Barcelona) und Landaben (Navarra). Bis 2026 soll die Sagunter Batteriefabrik in Betrieb gehen und nicht weniger als 3000 Arbeitsplätze schaffen, betonte Wayne Gryffiths, Präsident von Seat, und unterstrich zugleich ihre künftige Kapazität mit immerhin 40 Gigawattstunden (GWh).

Insgesamt sechs VW-Batteriewerke

Das geplante Batteriewerk ist dabei eines von sechs, die VW in Europa in Betrieb nehmen wird, und Sagunt erhielt den Zuschlag gegen über 100 Mitbewerber, was nicht zuletzt auch ein Verdienst des Regionalpremiers von Valencia, Ximo Puig vom sozialdemokratischen PSOE, war. Puig lobte sich und sein Verhandlungsteam nach dem Zuschlag selbst, für "die enormen Anstrengungen, die in absoluter Diskretion getätigt worden sind". Das habe für "die beste Nachricht für die Industrie und das Unternehmertum der Region in einem halben Jahrhundert" gesorgt. In Summe lässt sich die VW-Gruppe die Wende in Sachen E-Mobilität auf dem Alten Kontinent 52 Milliarden Euro kosten.

Die in Sagunt erzeugten Batterien werden für die Seat-Werke in Martorell (Barcelona), wo die VW-Tochter auch Fahrzeuge der Marke Cupra produziert, sowie für das Werk in Landaben bei Pamplona (Navarra) hergestellt, wie für alle künftigen E-Modelle, die aus spanischen Produktionsstätten rollen werden.

Der perfekte Sturm

"Wir befinden uns in einem perfekten Sturm, Angst dominiert. Entweder man glaubt an die Energiewende, oder man lässt es bleiben", sagt der renommierte, aus Valencia gebürtige spanische Makroökonom Santiago Carbó von der Universität Granada im STANDARD-Gespräch: "Alles ist teuer, Strom, Gas, fossile Treibstoffe. Aber Spanien unternimmt enorme Anstrengungen in puncto Energiewende, die wir in spätestens zwei Jahren sehen und spüren werden." In erster Linie Sonnenenergie, aber auch Windkraft würden die Abhängigkeit von Erdgas aus Algerien und auch Russland beenden, gibt sich Carbó optimistisch: "Die Energiewende muss über die Elektromobilität vollzogen werden, und Spanien als Standort ist einer der besten, was Produktionskosten, aber auch die hohe Qualität der Arbeitsplätze betrifft. Und hat in den vergangenen Krisen seine Widerstandsfähigkeit bewiesen."

Die Zeit drängt dennoch, denn Konkurrenten wie allen voran der US-amerikanische E-Auto-Bauer Tesla, der eben im brandenburgischen Grünheide seine "Gigafabrik" einweihte, haben VW und Co mehr als eine Nasenlänge voraus. "Europas Autobauer haben erst vor fünf Jahren begonnen umzudenken, daraus erklärt sich der Vorsprung, den Tesla hat", betont Carbó weiter. In Sachen "Wertschöpfungsketten" geht der Ökonom auch davon aus, dass Lithium-Tagebau-Vorhaben in Westspanien (Extremadura, Galicien), aber auch Portugal durch die VW-Investition einen deutlichen Impuls erfahren werden.

Wichtige Autoindustrie

Just dasselbe Wort wie Tesla-Gründer Elon Musk, nämlich "Gigafabrik", verwendete auch die spanische Ministerin für Industrie, Handel und Tourismus, Reyes Maroto (PSOE), als sie in einem Tweet den Zuschlag für Sagunt als wesentlichen Impuls zur "Schaffung eines Ökosystems für nachhaltige Mobilität in Spanien" feierte. Der Automobilsektor, neben VW ist unter anderen auch Opel (PSA) in Saragossa ein Schwergewicht, trägt knapp zehn Prozent zum BIP bei – und ist damit fast so wichtig wie der spanische Tourismus. (Jan Marot aus Granada, 27.3.2022)