Richard David Precht, hier bei einem internationalen Festival für Philosophie, ist ein Entertainer, eitel, aber ohne übergeordnete Interessen.

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Es ist klar, wer in Wladimir Putins Krieg der Aggressor ist und dass es politisch und moralisch geboten ist, die Ukraine zu unterstützen und Russland umfassend zu bestrafen, ohne selbst in den Krieg zu ziehen. Dem können Prechts oder Köppels nicht einfach zustimmen. Ihr Geschäftsmodell ist es, prinzipiell anderer Meinung zu sein. Daher machen sie auf Beschwichtigmacher: Precht forderte die Ukraine auf, sich rasch zu ergeben. Köppel zetert über "geschichtsblinde" westliche Medien und den "angeblichen Teufel Putin".

"Geschichtsblinde" Medien

Wenn der Konsens über Russland ein anderer wäre, wenn es alle nicht so schlimm fänden, wären Köppel und Precht Apokalyptiker. Die Redewendungen könnte man sich leicht ausdenken: "geschichtsblinde" Medien, die sowjetische Aggressionen vergessen haben, et cetera.

Precht ist ein Entertainer, eitel, aber ohne übergeordnete Interessen. Köppel ist ein anderes Kaliber, weil er auch Nationalrat ist und die Politik in der Schweiz – und Deutschland und Österreich – gerne stärker beeinflussen würde. Herbert Kickl ist im selben politischen Eck und ähnlich gestrickt. Und da fangen die Zores mit der Talkshow-Demokratie an.

Mit ein Grund, warum Demokratien anderen Regierungsformen überlegen sind, ist, dass sie bessere Resultate liefern. Das erfordert eine klare Sicht auf die Dinge. Das ist oft nicht so kompliziert, nehmen wir Beispiele: Man muss keine Versicherungsmathematikerin sein, um zu sehen, dass unser Pensionssystem nicht nachhaltig ist. Und man muss kein Philosoph sein, um Putin als Mörder zu sehen. Wenn wir aber Politik als Entertainment inszenieren, vernebeln uns die Kickls, Köppels und Prechts die Analyse; die unsäglichen sozialen Medien machen es noch schwerer.

Komplizierte Analyse, schwierige Lösungen

Wo die Analyse komplizierter wird, ist es auch schwieriger, Lösungen zu finden. Bei jedem Modell einer Pensionsreform gibt es Gewinner und Verlierer. Selbst wenn die vielen gewinnen, sind Verlierer oft besser organisiert, verhindern das Notwendige. Wir wissen, dass wir Putins Finanzquellen trockenlegen, ein Öl- und Gasembargo verhängen müssen. Wie, ohne uns grob selbst zu schädigen, ist keine triviale Frage.

Wo Lösungen schwierig sind, ist es klug, skeptisch gegenüber Ideologien zu sein. Man kann große Fragen nicht ein für alle Mal lösen. Die Politik gegenüber Russland und die Reform der Pensionen erfordern ein pragmatisches Drehen an Stellschrauben, evidenzbasierte Politik, die sich entwickeln kann.

Effektive Demokratien

Eine solche Politik ist aber nicht prinzipienlos. Gerade in Zeiten, in denen wir mehr Geschichte produzieren, als wir verdauen können, brauchen wir starke, effektive Demokratien. Das heißt, dass wir nicht die lautesten Windfahnen in Talkshows vordenken lassen, sondern verstehen, was ist, und effektive Lösungen suchen, auch wenn sie schwierig sind. Und dass wir nicht, wie unser ehemaliger Bundespräsident, vor Tyrannen buckeln. Klare Analyse, pragmatische Lösungen, Rückgrat. Eine steile Vorgabe für unsere Gesellschaft, aber eine notwendige. (Veit Dengler, 28.3.2022)