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In Chinas Bevölkerung wächst der Ärger über die dauernden Corona-Tests.

Foto: Reuters / Aly Song

Am Mittwoch vergangene Woche erwischte es den in Schanghai lebenden britischen Lehrer Shane Leane. Bei einem der verpflichtenden Massentest wurde er positiv getestet. Symptome hatte er zwar keine, trotzdem aber brachten ihn Behörden in Ganzkörperanzügen in ein Krankenhaus. Seine Frau musste unterdessen in ein Hotel und sich einer dreiwöchigen strikten Quarantäne unterziehen, die beiden Hunde wurden in ein Tierheim gebracht. Shane fand sich in einem Dreibettzimmer wieder. Die Matratzen, seien, so schreibt er in einem Twitter-Thread nicht dicker als fünf Zentimeter, es gebe kein fließendes Wasser, außerdem sei es kalt. Drei Wochen muss der Lehrer hier bleiben – sollte er positiv getestet werden auch länger.

Sein Schicksal teilen in den vergangenen Tagen einige. Und aus diesem Grund hat China am Sonntag die ganze Wirtschaftsmetropole mit ihren 26 Millionen Einwohnern in den Lockdown geschickt. Um die Bevölkerung zu testen, werde das öffentliche Leben in zwei Stufen von diesem Montag (28. März) bis zum 5. April heruntergefahren, teilte die Stadtverwaltung mit.

Zweifel an Zero Covid

China leidet gerade unter der massivsten Infektionswelle seit Beginn der Pandemie. Am vergangenen Freitag wurden in Schanghai 1.600 Neuinfektionen gemeldet – so viel wie noch nie. Die Zero-Covid-Strategie, mit der die Regierung die Volksrepublik versucht hat, virusfrei zu halten, wird nun auch von chinesischer Seite immer öfter angezweifelt.

Mit den steigenden Fallzahlen dringen aber auch immer mehr Berichte über massiven Menschenrechtsverletzungen, die sich in sogenannten "Zentral-Quarantäne-Einrichtungen" und in Krankenhäusern abspielen. Weil davon auch immer mehr Ausländer betroffen sind, dringen mehr Berichte über die Zustände nach außen. So erschien kürzlich ein Bericht eines amerikanischen Geschäftsmanns, der bei der Einreise positiv getestet wurde. Auch er zeigte keine Symptome, aber musste die folgenden 30 Tage in einem Mehrbettzimmer im Krankenhaus verbringen und sich mehrfach täglich testen lassen.

Carl Setzer verarbeitete die traumatischen Erfahrungen in einem vierteiligen Blog-Serie. Der Bericht ist vom Dezember 2020, also über einem Jahr alt, erschien aber erst kürzlich. Im Netz kursieren schon länger Videoaufnahmen von chinesischen Quarantäne-Einrichtungen, die Containerdörfer zeigen, in denen Menschen auf engstem Raum mehrere Wochen verbringen müssen. Bisher ließen sich diese Aufnahmen aber nicht verifizieren.

Wie kommt China da raus?

Fraglich bleibt, wie lange Peking an dieser Covid-Strategie festhalten will. Die Fallzahlen steigen derzeit im ganzen Land. Allerdings handelt es sich wie im Westen auch um die vergleichsweise milde Omikron-Variante. Die Regierung in Peking hat aber in den vergangenen Jahren eine Strategie gefahren, aus der sie nun schwer gesichtswahrend herauskommt. Einerseits wurde in der Bevölkerung Panik und Angst vor Corona geschürt. Gleichzeitig verwies man dabei immer wieder auf das westliche Ausland, wo im Gegensatz zu China die Pandemie wüte.

In den vergangenen Monaten ging man zur Strategie "dynamischer Lockdowns" über: Wo immer Fälle auftauchen, werden Wohnblöcke geschlossen. Die Bewohner müssen sich mehrmals testen lassen und dürfen, erst wenn kein Positivfall auftaucht, nach drei Tagen ihre Wohnblöcke verlassen. Schanghai galt auch als Testmöglichkeit für diese neue Strategie. Trotz dieser "Lockdown Light"-Variante war aber auch hier die Unzufriedenheit der 26 Millionen Bewohner über die scheinbar endlosen Runden von Covid-Tests gestiegen. Auch in Hongkong brach die Pandemie nach zwei Jahren strikter Abriegelung der ehemaligen autonomen Stadt voll aus: Die Infektionszahlen stiegen Anfang März auf 70.000 und liegen derzeit bei rund 10.000 Neuinfektionen pro Tag, Tendenz fallend. Auch hier werden positiv Getestete rigoros abgesondert. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 27.3.2022)