US-Außenminister Antony Blinken bei Präsident Isaac Herzog in Jerusalem. Er nimmt am Negev-Gipfel mit vier arabischen Staaten teil.

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Sde Boker – der Name eines Kibbuz südlich von Beer Sheba – wird nicht allen ins Ohr gehen: So wird das israelisch-arabisch-amerikanische Außenministertreffen am Sonntag und Montag im Süden Israels eher als "Negev-Gipfel" in die Geschichtsbücher eingehen. Denn historisch ist es tatsächlich: Vier arabische Außenminister zu Gast beim israelischen, das hat es noch nie gegeben.

Zuerst war es als Treffen der "Abraham-Abkommen"-Länder plus USA apostrophiert gewesen, nun wird auch Ägypten dabei sein. Sde Boker, in dessen Nähe Staatsgründer David Ben-Gurion bestattet ist, ist symbolträchtig, aber wohl auch deshalb gewählt, weil das umstrittene Jerusalem nicht infrage käme. Und die Sicherheit der Gäste ist dort vielleicht auch leichter zu managen.

Es ist der Höhepunkt einer intensiven Nahostdiplomatie davor und danach, im Schatten des Ukraine-Kriegs und des komplizierten Verhältnisses des Nahen Ostens zu Russland und zu den USA – und im Licht eines vielleicht vor dem Abschluss stehenden neuen Atomdeals mit dem Iran. Insofern ist der Plan des Ex-US-Präsidenten Donald Trump, des Paten der "Abraham Accords", aufgegangen: Israel und die Araber rücken näher zusammen, um eine gemeinsame Strategie Teheran gegenüber zu entwickeln.

Eifrige Diplomatie

  • Wer zum Negev-Gipfel kommt Israels Außenminister Yair Lapid empfängt seine Amtskollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (Abdullah bin Zayed Al Nahyan), Bahrain (Abdullatif bin Rashid Al Zayani), Marokko (Nasser Bourita) und Ägypten (Sameh Shoukry). Alle vier Länder haben Friedensabkommen mit Israel: Ägypten war 1979 das erste, mit den Abraham-Abkommen folgten 2020 die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain, 2021 Sudan und Marokko. Sudan fehlt in Sde Boker, auch Außenminister Ayman Safadi aus Jordanien (Frieden mit Israel 1994) wurde nicht erwartet.
  • Warum Jordanien fehlt Das israelische-jordanische Verhältnis ist durch das Thema – beim Negev-Gipfel eher ein Nichtthema – Palästinenser dauerbelastet: König Abdullah fährt am Montag zu Präsident Mahmud Abbas nach Ramallah. Intern ist Jordanien im Moment eher unruhig, auch deshalb wäre eine Demonstration der Nähe zu Israel seitens Abdullahs ein Problem für ihn. Der König hatte aber quasi seinen eigenen Araber-Chefgipfel, nach dem israelisch-arabischen in Ägypten.
  • Was waren die "Chefgipfel"? Bei König Abdullah in Amman waren am Freitag der Kronprinz von Abu Dhabi und De-facto-Herrscher der VAE, Mohammed bin Zayed, Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi und Iraks Premier Mustafa al-Kadhimi. Die beiden Letzteren hatten zu Wochenbeginn in Sharm el-Sheikh ein Treffen mit Israels Premier Naftali Bennett absolviert, also einen arabisch-israelischen Gipfel.

...und was Blinken will

  • Warum Sudan fehlt Khartum schloss sich zwar noch vor Marokko offiziell den "Abraham Accords" an, der Prozess der Normalisierung mit Israel verläuft aber stockend. Sudan hat im Moment auch nur eine von der Militärjunta ernannte Regierung. Deren Chef, General Abdelfattah al-Burhan, war jedoch vor wenigen Tagen immerhin in den VAE und in Saudi-Arabien.
  • Die Rolle des US-Außenministers Antony Blinken ist auf einer Nordafrika-Nahost-Tour, die ihn außer nach Israel auch ins Westjordanland führt – womit er die Palästinenser nicht ganz links liegen lassen will, was fast alle westlichen Besucher so halten, außer den Österreichern – sowie nach Marokko und nach Algerien. In Marokko wird er wiederum auch den Kronprinzen von Abu Dhabi, der überall mitmischt, treffen. Einen geplanten Besuch in den VAE hatte Blinken jedoch abgesagt. Das wird auch damit in Zusammenhang gebracht, dass Mohammed bin Zayed vor zehn Tagen den syrischen Staatschef und russischen Protegé Bashar al-Assad empfangen hat.
  • Der Krieg in der Ukraine Israel und die arabischen Verbündeten haben sich der US-westlichen diplomatischen und wirtschaftlichen Front gegen Moskau nicht angeschlossen, was dessen wachsenden Einfluss – und den schwindenden der USA – zeigt. Marokko stimmt, anders als die anderen, nicht einmal in der Uno-Generalversammlung für die ohnehin nicht bindenden Ukraine-Resolutionen, sondern bleibt einfach fern. Rabat braucht Russlands Wohlwollen für seine Westsahara-Pläne. Die USA haben unter Trump die marokkanische Souveränität dort bereits anerkannt. Auch die VAE haben ein Konsulat eröffnet.

Saudis nicht dabei

  • Und Saudi-Arabien? Für die Saudis ist ein offizieller Besuch in Israel noch immer ein Tabu. Es gibt ja auch noch keinen Friedensvertrag. Aber Saudi-Arabien ist derzeit vom Konflikt mit dem beim Gipfel diskutierten Iran, der über Stellvertreter Macht in der Region ausübt, besonders betroffen. Die jemenitischen Huthi-Rebellen, die von Teheran unterstützt und von einer saudisch-geführten Koalition bekämpft werden, haben im Vorfeld des Grand Prix ihre Raketen- und Drohnenangriffe auf Saudi-Arabien verstärkt. Als treibende Kraft und Instrument der iranischen Regionalpolitik gelten die iranischen Revolutionsgarden (IRGC), um die es auch im Finale der Wiener Gespräche über den Atomdeal geht: Trump hatte sie auf die Liste der FTO (Foreign Terrorist Organizations) setzen lassen, der Iran will, dass das wieder gestrichen werden.
  • Die Themen des Negev-Gipfels Es wird um das große Thema "Sicherheit" in allen Aspekten gehen: Da sind Energiefragen enthalten sowie die als Folge des Ukraine-Kriegs zu erwartende Weizenknappheit, die ärmere arabische Staaten in Nordafrika und dem Nahen Osten besonders trifft. Blinken wird jedoch vor allem zum möglichen neuen Atomdeal mit dem Iran gegrillt werden, dem Israel und die arabischen Staaten von ablehnend bis skeptisch gegenüber stehen. Am Wochenende war der EU-Koordinator der Wiener Gespräche, Enrique Mora, in Teheran, am Montag wurde er in Washington erwartet, nach eigener Aussage, um zu versuchen, letzte Hürden zwischen USA und dem Iran zu beseitigen. (Gudrun Harrer, 28.3.2022)