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Will Smith wird nicht nur bester Hauptdarsteller, sondern auch handgreiflich.

Foto: Reuters / Bryan Snyder

Es sollte eine Rückkehr zu Glamour und zu altem Glanz im Dolby Theatre werden: eine Oscar-Gala, die sich der Unterhaltung verschreibt, Film und Kino feiert. Doch dann kam es gleich aus mehreren Gründen anders: Für die größte Aufregung sorgte ein Eklat, bei dem der Schauspieler Will Smith den Komiker Chris Rock auf der Bühne attackierte, nachdem dieser einen Witz über Smiths Frau, Jada Pinkett Smith, machte. Smith stürmte die Bühne, holte mit der Hand aus und beschimpfte den Moderator anschließend wüst. Nicht einmal das Publikum im Saal war sich zunächst sicher, ob die Einlage gespielt war oder nicht. Doch Smith hatte tatsächlich im Affekt gehandelt, die Erregung war echt.

Als der Comedian Chris Rock einen Witz über Will Smiths Frau, Jada Pinkett Smith, machte, stürmte der Schauspieler auf die Bühne und schlug ihm ins Gesicht.
DER STANDARD

Chris Rock hatte über den Haarverlust von Jada Pinkett Smith gescherzt und gemeint, sie bereite sich wohl auf eine Rolle als G. I. Jane vor. Jada Pinkett Smith leidet an einer Autoimmunerkrankung, die zu Haarverlust führt.

Wenige Minuten später wurde Smith dann als bester Hauptdarsteller im Film King Richard ausgezeichnet, in dem er den nimmermüden Vater der US-Tennis-Stars Venus und Serena Williams verkörpert. Die Dankesrede mutierte zur Verteidigungsrede, Smith entschuldigte sich bei der Academy und rechtfertigte seinen "Ausraster" damit, dass er stets jene verteidigen würde, die er liebt.

Raf Productions

Ein schwarzer Star sprach unter Tränen darüber, wie oft er in seinem Leben im falschen Moment gelächelt hatte. Es war ein authentischer Moment, vielleicht der authentischste dieses Abends. Einer, den wohl niemand kommen sah.

"Coda" setzt sich im Finale durch

Dass am Ende der Gala Siân Heders Coming-of-Age-Film Coda als bester Film ausgezeichnet wurde, damit hatten zumindest Brancheninsider gerechnet. Das Drama um eine junge Frau, die als Einzige ihrer Familie nicht gehörlos ist, hatte sich in den letzten Wochen immer mehr als zweiter Favorit neben dem zwölfmal nominierten Western The Power of the Dog durchgesetzt. Jane Campions Film zog den Kürzeren, die neuseeländische Regisseurin musste sich mit dem Oscar für die beste Regie begnügen. Dem Streamer Netflix, der den Film produziert hat, blieb der große Triumph einmal mehr verwehrt. Das lag wohl auch daran, dass Netflix unter den Academy-Mitgliedern immer noch als unbeliebte Online-Größe gilt.

US-Autorin und Filmemacherin Siân Heders mit einem der drei Oscars, mit denen ihr Film Coda ausgezeichnet wurde.
Foto: APA/AFP/VALERIE MACON

Die meisten Auszeichnungen, nämlich insgesamt sechs, erhielt Denis Villeneuves Science-Fiction-Epos Dune, allerdings allesamt in "technischen" Kategorien. Als beste Hauptdarstellerin wurde Jessica Chastain in dem Biopic The Eyes of Tammy Faye ausgezeichnet. Mit Verve verkörpert sie darin die TV-Predigerin Tammy Faye Messner, die gemeinsam mit ihrem Mann Jim Bakker ein skandalumwittertes christliches Fernsehnetzwerk aufzog, allerdings auch als Verteidigerin von Homosexuellen auftrat.

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Jessica Chastain nimmt ihre Trophäe als beste Hauptdarstellerin entgegen.
Foto: Reuters / Bryan Snyder

Troy Kotsur wurde als erster gehörloser Schauspieler für Coda mit einem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Die Rolle der Puerto Ricanerin Anita in West Side Story brachte Ariana DeBose den Oscar als beste Nebendarstellerin ein.

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Troy Kotsur wurde als erster gehörloser Schauspieler mit einem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet.
Foto: Reuters / MARIO ANZUONI

Zerhackt und ratlos

Umstritten war die Entscheidung der Academy gewesen, die Vergabe von acht Kategorien auszugliedern und in gekürzter Form in die Show zu integrieren. Kompakter, dramaturgisch geglückter erschien der Abend dadurch nicht, die Veranstaltung wirkte vielmehr zerhackt und ratlos, ein seltsames Potpourri aus müden Witzen und bemühten Einlagen wie etwa dem Besuch des neuen Filmmuseums der Academy. Das weibliche Moderatorentrio Amy Schumer, Wanda Sykes und Regina Hall trat nur zu Beginn mit einem Gagfeuerwerk richtig in Erscheinung; dabei thematisierte es dann gleich defensiv die Reglementänderung bei der Preisvergabe.

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Die Moderatorinnen Regina Hall, Amy Schumer und Wanda Sykes
Foto: Reuters / BRIAN SNYDER

Der Versuch, den Rahmen der Show mit Publikumsvotings zu erweitern, erwies sich jedoch als Rohrkrepierer. Lieblos ausgestellte "erinnerungswürdige" Momente wie "The Flash enters speed force" aus Zack Snyders Justice League blieben skurrile Fremdkörper, im Dolby Theatre wurde dazu nicht einmal applaudiert. Umgekehrt schnitt man dem japanischen Regisseur Ryusuke Hamaguchi, der für Drive My Car den Oscar für den besten internationalen Film erhielt, unhöflich früh das Wort ab. Eine Würdigung des Paten, der Francis Ford Coppola, Robert De Niro und Al Pacino auf die Bühne brachte, geriet viel zu kurz – dabei sind es solche Momente, die eine Oscar-Gala erinnerungswürdig machen.

Eine Würdigung des "Paten", der Francis Ford Coppola, Robert De Niro und Al Pacino auf die Bühne brachte, geriet viel zu kurz.
Foto: APA/AFP/ROBYN BECK

Stattdessen ist es nun eine Ohrfeige, für die man die 94. Oscar-Gala zuallererst erinnern wird. Das war keine gute Selbstdarstellung Hollywoods, das sich an diesem Abend als linkische, ja verunsicherte Filmindustrie präsentiert hat. (Dominik Kamalzadeh, 28. 3. 2022)