Wie in dieser künstlerischen Darstellung könnte die Funktionsweise eines Quanten-Memristors eine wichtige Rolle in einem neuronalen Quantennetzwerk einnehmen. Das dargestellte Netzwerk enthält miteinander verbundene Interferometer – die Hauptkomponente des neuartigen Memristors.
Bild: Equinox Graphics, Universität Wien

Memristor, das klingt ähnlich wie Transistor. Und bei einem Transistor handelt es sich in der Elektronik kurz gesagt um ein Schaltelement, das Strom und Spannung steuern kann. Ein Memristor soll sich noch dazu merken, wie viel Strom durch ihn hindurchfließt, um seinen Widerstand entsprechend anzupassen: Der Begriff ist zusammengesetzt aus "memory" (Gedächtnis oder Speicher) und "resistor" (Widerstand). Quanten-Memristoren sollen den Durchfluss von Licht regulieren – und so im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) neue Maßstäbe setzen. Nun berichten Wiener Physiker, erstmals ein solches Element hergestellt zu haben. Über ihr Experiment schreiben sie im Fachjournal "Nature Photonics".

Schon Anfang der 1970er-Jahre wurde das Konzept des Memristors theoretisch beschrieben. Seitdem kam es zu verschiedenen Versuchen, es umzusetzen. 2008 berichtete ein Forschungsteam im Fachblatt "Nature", man habe den bis dahin fehlenden Memristor gefunden, und weckte breiteres Interesse in der Experimentalphysik.

Der elektrische Widerstand eines solchen Bauelements zu einem bestimmten Zeitpunkt hängt davon ab, welche Spannung bis dahin an ihn angelegt wurde. Diese Eigenschaft ähnelt menschlichen Nervenzellen, deren Synapsen umso schneller reagieren, je häufiger sie aktiviert werden.

Vielseitiger Einsatz

Entsprechend vielseitig und vielversprechend werden die Einsatzmöglichkeiten für Memristoren gesehen, etwa für neuartige Datenspeicher oder neuromorphe, also gehirnähnliche Computerarchitekturen. Speziell letztere sind für den Bereich künstliche Intelligenz interessant. Dort wird bereits mit mathematischen Modellen gearbeitet, die von der biologischen Struktur des Gehirns inspiriert sind – den neuronalen Netzen.

Eine Forschungsgruppe um Philip Walther vom Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) an der Universität Wien hat nun gemeinsam mit italienischen Kollegen den ersten Quanten-Memristor realisiert. "Wir haben gezeigt, dass dieses Bauteil alle Eigenschaften erfüllt, die so ein Memristor beherrschen muss", sagt Walther. Während der klassische Memristor mit Strom und Widerstand arbeitet, steuert der Quanten-Memristor den Lichtdurchfluss abhängig davon, wie viel Licht bis dahin durch das Bauteil gegangen ist.

Eigentlich widerspricht die grundlegende Dynamik eines Memristors dem typischen Verhalten von Quantensystemen: "Die möchten ja nie gestört werden", sagt Walther. Doch für einen Memristor braucht man eine Feedbackschleife, weil ja etwas verändert wird, abhängig davon, was zuvor passiert ist. Und dieses Geschehen zuvor muss also gemessen werden.

Besser als herkömmliche Algorithmen

"Deshalb haben wir eine clevere Messung entwickelt, die zwar den Quantenzustand des Systems ein wenig beeinflusst, aber nicht so stark, dass er zerstört wird, und damit diesen Memoryeffekt in dem Schaltkreis erlaubt", erläutert der Physiker. Realisiert wurde das mit einer Glasplatte, in die mittels Laser Wellenleiter eingeschrieben werden und Photonen in einem Überlagerungszustand die Möglichkeit haben, zwei Wege zu benutzen.

Zusätzlich zur experimentellen Umsetzung eines solchen Quanten-Memristors zeigten die Wissenschafter in Simulationen, dass optische Netzwerke mit solchen Bauteilen zum Lernen sowohl bei klassischen als auch bei Quantenaufgaben verwendet werden können. Für sie deutet das darauf hin, "dass der Quanten-Memristor das fehlende Bindeglied zwischen Künstlicher Intelligenz und Quantencomputern sein könnte".

Für die weitere Arbeit stelle sich nun die Frage, wie groß man ein Quanten-Memristor-Netzwerk bauen kann, bevor die Quanteneffekte komplett verloren gehen, sagt Walther: "Wir sind schon dabei, mit einer Handvoll Memristoren ein solches Netzwerk aufzubauen, wo wir einen kleinen neuromorphischen Prozess implementieren wollen." Die Forschenden wollen damit zeigen, dass dieser in der Tat einen Quantenvorteil gibt und manche Aufgaben wie beispielsweise Muster- und Bilderkennung besser gelöst werden können als mit herkömmlichen Algorithmen. (APA, red, 28.3.2022)