Chinas Wirtschafsmetropole Schanghai geht in den Lockdown.

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In zahlreichen Schanghaier Supermärkten ist es am Montagmorgen zu Rangeleien gekommen. Bis zum Wochenende hatte die Stadtregierung Meldungen über einen bevorstehenden Lockdown als Gerüchte dementiert. Am Sonntag aber hieß es dann plötzlich: Er kommt. Sofort stürmten die Einwohner der 26-Millionen-Metropole die Supermärkte der Stadt. Wer am Montagnachmittag einkaufen ging, stand vor leeren Regalen.

Die Stadt an der Ostküste Chinas geht dabei einen eigenen Weg. Der Huangpu teilt die Stadt in zwei Hälften. Die Bewohner von Pudong, des moderne Stadtteils östlich des Flusses, dürfen seit Montag für vier Tage ihre Wohnungen nicht mehr verlassen und müssen sich mehrmals testen lassen. Der öffentliche Nahverkehr hat den Betrieb eingestellt. Ab 1. April ist dann Puxi, der Westteil der Stadt, dran. Allerdings sind auch dort schon die meisten Restaurants und Märkte geschlossen und Wohnblöcke mit Plastikmauern verbarrikadiert.

Quarantäne wie bei der Stellung

Zudem dürften sich in den kommenden Tagen zahlreiche menschliche Dramen abspielen. Wer nämlich positiv getestet wird, muss sich in eine "zentrale Quarantäneeinrichtung" begeben. Auf dem Gelände der ehemaligen Expo hat man ein solches Bettenlager errichtet. In einer kaum geheizten Halle haben die Behörden 7.000 Betten aneinandergereiht, die nur mit dünnen Wänden voneinander abgetrennt sind. Die britische Journalistin Emma Leaning, selbst positiv getestet, beschreibt die Zustände auf Twitter: Duschen gibt es keine, die Temperatur ist unangenehm kühl, die Toiletten sind in einem furchtbaren Zustand. Das Licht brennt die ganze Nacht über, die Geräuschkulisse macht das Schlafen schwer.

Am Sonntag wurden 50 Menschen mit Symptomen positiv getestet, hinzu kommen 3.450 Menschen, die nicht krank sind, aber ein positives Testergebnis aufweisen. Weil sich die kommunistische Partei einer "Zero-Covid-Strategie" verschrieben hat, greift sie selbst bei relativ wenigen Fällen der milden Omikron-Variante auf rigorose Maßnahmen zurück. In den folgenden Tagen dürften durch die Massentests noch zahlreiche weitere Positivfälle hinzukommen, die dann alle für mindestens zwei Wochen in Quarantäneeinrichtungen untergebracht werden. Symptomatische Fälle werden in überfüllte Krankenhäuser gebracht. Viele ausländische Familien verlassen das Land derzeit deswegen.

Tesla macht dicht

Der Lockdown dürfte auch die ohnehin strapazierten globalen Lieferketten weiter unter Druck setzen. Schanghai ist auch ein Wirtschafts- und Finanzzentrum Chinas. Im näheren Umland befinden sich zahlreiche Fabriken, darunter auch viele Produktionsstandorte westlicher Unternehmen. Der amerikanische Autobauer Tesla kündigte am Montag an, sein Werk für zunächst vier Tage stillzulegen.

Bisher hatte die Stadt auf ein sogenanntes "Grid Screening" gesetzt, um größere Produktionsausfälle zu vermeiden. Dabei wurden einzelne Wohnblöcke für 48 Stunden abgeriegelt und die Bewohner zu Tests gezwungen. "Warum kann Schanghai nicht abgeriegelt werden? Weil es nicht nur eine Stadt mit Anwohnern ist, sondern auch eine Stadt mit einer äußerst wichtigen Rolle in Chinas Wirtschaft", hatte Wu Fan, ein Experte des führenden Expertenteams für Epidemiebekämpfung der Stadt, noch am Samstag gesagt. Dass diese Strategie nun als nicht mehr ausreichend empfunden wird, dürfte daran liegen, dass der Druck aus der Zentralregierung in Peking auf die städtischen Behörden gestiegen ist. Insgesamt wurden im März 27.000 Menschen positiv auf das Virus getestet – die allermeisten ohne Symptome. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 28.3.2022)