
Er bringt die Ängste der Menschen zum Blühen – der schillernde Magier André Tartini, am Landestheater Salzburg charismatisch dargestellt von Gregor Schulz.
Das Timing ist nicht das beste für die österreichische Erstaufführung von Die Anschläge von nächster Woche am Landestheater Salzburg. 2018 wurde das Stück des österreichischen Autors Thomas Arzt in Heidelberg uraufgeführt, es geht um Terroranschläge und die Frage: Was war zuerst da, die Angst oder der Schrecken? Nun ist unsere Gesellschaft ja grundsätzlich genauso überdurchschnittlich ängstlich, wie sie sicher ist. Aber das Objekt dieser Angst hat sich in der Zwischenzeit geändert: Die russische Atombombe hat dem islamistischen Terror den Rang abgelaufen.
Orte der Anschläge
Vor diesem Hintergrund wirkt der Abend in den Kammerspielen des Landestheaters ein wenig unzeitgemäß, was nicht Regisseurin Christina Piegger, sondern, wenn überhaupt, dem behäbigen Stadttheaterbetrieb anzulasten ist. Die Orte all der Anschläge der letzten Jahre werden hier wieder ins Gedächtnis gerufen, Wien, Paris, Stockholm, Nizza, Berlin usw. An allen diesen Orten war auch der unauffällige Lichttechniker Armin (sehr präsent als unscheinbarer Durchschnittsbundesbürger: Skye MacDonald), und das macht die Ermittlerin des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (Britta Bayer) doch etwas stutzig: Steckt dieser Mann hinter all den Anschlägen?
Die Ermittlerin macht Armin eines Silvesterabends am Bartresen dingfest, die Situation geht auf der kleinen Kammerspielbühne nahtlos über in einen angedeuteten Wohnbereich (Bühne und Kostüme: ebenfalls Piegger). Hier erfährt man von dem biederen Leben, das Armin mit seiner Verlobten Eva (Sarah Zaharanski) plant und in dem das höchste der Gefühle ein Baum im Garten vor dem Einfamilieneigenheim zu sein schien.
Kompakte 90 Minuten
Um das zu finanzieren, lässt er sich von dem schillernden André Tartini (sehr charismatisch: Gregor Schulz) anwerben, einem Scharlatan, der – immer begleitet von seinem Roadie, dem Ex-Arzt Michailov (Martin Trippensee) – in großen Hallen die Ängste der Menschen zum Blühen bringt. Und zwar buchstäblich: Die Angstgewächse überwuchern Böden und bringen Stahlwände zum Brechen (anschaulich gemacht durch die auf Wände projizierten Videos von We are Video). Nun ja. Die Tour dieses Tartini jedenfalls ist eine Art Terror-Mystery-Tour, immer genau dort, wo zeitgleich ein Anschlag passiert.
Dabei wird die Behauptung einer gesamtgesellschaftlichen Angstneurose, die der Text aufstellt, schon allein dadurch konterkariert, dass man bei der Aufzählung der Terrorschauplätze feststellt, dass man die meisten schon wieder ganz vergessen hatte. Die Vermengung von generischen Fernsehkrimi-Elementen und raunender Meditation über Angst und Terror verfängt zudem schon im Text nur mäßig. Und auch die kompakte 90-minütige Inszenierung, die zwischen Spielszenen das unvermeidliche, frontal ins Publikum zielende chorische Sprechen schaltet, unterhält zwar solide, hinterlässt aber keinen nachhaltigen Eindruck. (Andrea Heinz, 29.3.2022)