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Die Leiharbeit wuchs im vergangenen Jahr überdurchschnittlich stark. Nach wie vor sind Aufholeffekte spürbar.

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"Die Wirtschaftskammer suggeriert, dass es vor allem am Willen der Betroffenen selbst liegt, einen passenden Job zu finden", kritisiert Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, und meint damit den aktuellen WKO-Slogan "Arbeit macht mehr aus dir". "Allerdings wird bei derartigen Kampagnen gerne verschwiegen, dass auf dem Arbeitsmarkt immer seltener stabile Beschäftigungsverhältnisse angeboten werden."

Laut Arbeiterkammer waren von den 119.000 offenen Positionen, die im Februar beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet waren, rund 30.500 Leiharbeitsstellen – ein Anteil von 25 Prozent. In Oberösterreich wurden von den 30.000 offenen Stellen gar 10.000 von Leiharbeitsfirmen angeboten, also rund 30 Prozent. Nach der Steiermark hat Oberösterreich damit landesweit den zweithöchsten Wert.

Anteil auf Vorkrisenniveau

"Die Zahlen sind zwar deutlich höher als in den Corona-Jahren 2020 und 2021", sagt Marius Wilk vom AMS. "Insgesamt ist der Anteil aber auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Krise." Das bestätigt auch Johannes Berg vom Forschungsinstitut Eco Austria. "Der Anteil von Leiharbeit an den offenen Stellen lag seit 2008 ungefähr bei 25 Prozent."

Die Corona-Pandemie hatte dem Einsatz von Leiharbeit, der stark von der Konjunktur abhängt, zuletzt einen deutlichen Dämpfer verpasst. Die Zahl der Arbeitskräfte-Überlassungen schrumpfte von 523.500 im Jahr 2019 auf 373.900 im Jahr 2021 – ein Rückgang von 29 Prozent. Besonders betroffen war der Tourismus mit einem Rückgang von knapp 60 Prozent.

Stärkeres Wachstum

Mit dem Aufschwung hat sich der Arbeitskräfteverleih nun wieder dem Vorkrisenniveau angenähert. Allerdings dürfte nach wie vor ein Aufholeffekt spürbar sein. Insgesamt wuchs Österreichs Wirtschaft 2021 im Vergleich zum ersten Corona-Jahr 2020 um 4,5 Prozent. Dabei fiel das Wachstum bei "sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen", zu denen auch die Leiharbeit gehört, mit 7,7 Prozent überdurchschnittlich stark aus.

Problematisch ist aus Sicht der Arbeiterkammer, dass neben dem hohen Anteil an offenen Stellen auch die Leiharbeit selbst instabiler geworden ist. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer lag laut Kammer zwischen Juli 2020 und Juni 2021 bei 190 Tagen und war damit 42 Tage kürzer als im Jahr davor.

"Teufelskreis für Junge"

"Das deckt sich auch mit unseren Zahlen", sagt Wilk vom AMS. "Die Zeitspannen, die die Personen in Unternehmen bleiben, sind kürzer geworden." Eine mögliche Ursache dafür sei, dass aufgrund der volatilen Wirtschaftsentwicklung Unternehmen kurzfristig Arbeitskräfte engagieren und auch wieder kündigen. "Die Instabilität ist im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung besonders groß", sagt Wilk.

Für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeute das "ständige ökonomische Unsicherheit, Zukunftsängste und längerfristig schlechtere Erwerbschancen", kritisiert die Arbeiterkammer. Dazu kommen soziale Probleme, zum Beispiel bei der Wohnungssuche. Besonders junge Menschen laufen laut Stangl Gefahr, in einen "Teufelskreislauf aus Arbeitslosigkeit und kurzfristigen Beschäftigungen zu geraten".

Aufschwung am Markt

Dass die Dauer der Überlassung im Schnitt gesunken ist, dürfte aber auch an einer anderen, positiven Entwicklung liegen: Aufgrund des Aufschwungs am Arbeitsmarkt haben viele Unternehmen ihre Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter fix übernommen. "In Zeiten des Aufschwungs haben Personen eine größere Chance, aus der Überlassung in dauerhafte Arbeitsverhältnisse zu wechseln", sagt Wilk. "Der Effekt ist bisher aber gering."

Die Arbeiterkammer kritisiert, dass Unternehmen ihre Personalsuche zum Teil vorrangig über Leiharbeitsfirmen machen. Das führe aber am Zweck der Leiharbeit vorbei. Sie soll laut Kammer dazu dienen, Bedarfsspitzen abzudecken, nicht aber, um Regelarbeitsverhältnisse zu umgehen. (Jakob Pflügl, 29.3.2022)