Einen Monat lang herrscht in Österreich nun schon eine Stimmungslage, die gelernte Bürgerinnen und Bürger des Landes in den Jahren davor nicht für möglich erachtet hätten. Seit Russland seinen Nachbarstaat Ukraine überfallen hat, werden die vom Krieg vertriebenen Menschen willkommen geheißen. Zivilgesellschaft und Staat bemühen sich, ihnen zu helfen, was sich im Einrichten von kommunalen Ankunftszentren, tausenden privaten Wohnangeboten und verstärkten Registrierungsbemühungen ausdrückt, um ihnen rasch EU-weit geltende Ausweise auszuhändigen.

Ankunft geflüchteter Menschen aus der Ukraine am Hauptbahnhof in Wien.
Foto: APA/TOBIAS STEINMAURER

Doch es wäre nicht Österreich mit seinem Hang zur Xenophobie, gäbe es nicht die ersten Sprünge in der solidarischen Haltung. Grund dafür sind fahrbare Untersätze reicherer Ukrainerinnen und Ukrainer, konkret SUVs, die, identifizierbar durch ihre Kennzeichen, auf Wiener Parkplätzen stehen. Große, teure Autos und Flucht, wie passt das zusammen?, fragen sich verärgerte einheimische Parkplatzsucher in den Foren unterhalb von einschlägigen Artikeln in Boulevardmedien. Dass die Stadt Wien ukrainischen Flüchtlingen bis Anfang April die Parkgebühren erlassen hat, frustriert zusätzlich.

Nun mag der Anlass dieser Erregung auf den ersten Blick nebensächlich erscheinen – doch das ist er keineswegs. Sollte der politische Diskurs mittelfristig ins Flüchtlingsfeindliche kippen, so könnten die ukrainischen SUVs die Rolle der Handys spielen, die den Ankommenden der Jahre 2015 und 2016 als Indiz für ihre angebliche Organisiertheit zum Vorwurf gemacht wurden. Ausgeschlossen ist eine solche politische Fehlentwicklung nicht: Die aktuelle Fluchtbewegung übertrifft von den Zahlen her alle vorhergehenden vergleichbaren Ereignisse – insgesamt sind 3,8 Millionen Menschen unterwegs–, und ein Ende des Krieges ist momentan nicht absehbar.

Auf Hilfe angewiesen

Warum also befinden sich Ukrainerinnen und Ukrainer mit ihren SUVs in Österreich? Erstens, weil sie vielleicht schon vor dem Krieg hier waren. Ukrainische Staatsangehörige konnten für 90 Tage visumsfrei als Touristen in die EU einreisen. Nach der Invasion sind die meisten von ihnen wohl geblieben.

Zweitens nutzen die Menschen in der Ukraine alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zur Flucht. Wer einen SUV oder ein anderes Auto hat – das noch dazu aufgetankt ist, denn die Benzinversorgung ist laut Berichten vielfach zusammengebrochen –, setzt sich hinein und fährt davon. Und kommt als Erster an, so, wie es in allen Fluchtbewegungen der Fall ist: Die Reicheren und besser Organisierten schaffen die Ausreise rascher, Ärmere folgen nach. Im Fall des Ukraine-Exodus sind sie vielfach auch traumatisierter, denn viele von ihnen stammen aus den belagerten Städten.

Gemeinsam ist ihnen und ihren begüterteren Landsleuten, dass sie vor russischen Bomben und Schießkommandos um ihr Leben rennen mussten – und auf unsere Hilfe angewiesen sind. Das sollte man in Österreich trotz Ärgers über etwaige Parkplatzkonkurrenz nicht vergessen. (Irene Brickner, 28.3.2022)