Bei steigenden Temperaturen werden vor allem feine Wurzeln verstärkt ausgebildet. Im Bild: beindruckendes Wurzelgeflecht einer Rotbuche auf einem Felsen in der Kärntner Garnitzenklamm.
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Die Folgen globaler Erwärmung sind mannigfaltig und in ihren Details oft noch nicht erforscht. Um herauszufinden, wie Waldboden auf eine Erwärmung reagiert, haben österreichische und deutsche Forschende in einem Tiroler Bergwald ein Experiment angelegt: Seit 15 Jahren wird eine bestimmte Fläche um vier Grad Celsius erwärmt. Nun berichtet das Forschungsteam im Fachjournal "Global Change Biology" von einer bemerkenswerten Folge: Steigen die Temperaturen, dann bilden die Pflanzen im Wald verstärkt Feinwurzeln auf. Und auch die Besiedelung der Wurzeln mit Pilzen veränderte sich beim direkten Vergleich mit nicht erwärmten Flächen.

In dem Experiment beschäftigt sich ein Team des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) seit 15 Jahren damit, auf mehreren zwei mal zwei Meter großen Versuchsflächen den Boden eines Fichten-Buchen-Mischwaldes im Gemeindegebiet von Achenkirch (Tirol) mit einer speziell konstruierten Waldbodenheizung zu erwärmen. Damit sollen die langfristigen Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung besser abschätzbar werden. Bisher war etwa wenig bekannt, wie die Feinwurzeln der Bäume, die für die Ernährung der Pflanzen, die Wasseraufnahme und den Kohlenstoffgehalt des Bodens entscheidend sind, darauf reagieren.

Anpassung an weniger Nährstoffe

"Unsere Auswertungen zeigen, dass im warmen Boden mehr Feinwurzeln produziert werden: Die Feinwurzelproduktion hat sich in den erwärmten Parzellen nach 14 Jahren ungefähr verdoppelt", erklärte Projektleiter Andreas Schindlbacher vom BFW in einer Aussendung. Im Vergleich zu den nicht erwärmten Flächen kommen im um vier Grad Celsius wärmeren Waldboden rund 20 Prozent mehr Feinwurzeln vor. Diese seien tendenziell länger und dünner, auch die Wurzelfläche und die Wurzelspitzendichte war in den erwärmten Parzellen signifikant höher.

Als wahrscheinlichste Ursache nennt das Forschungsteam Anpassungen an eine mit der Zeit abnehmende Verfügbarkeit von Pflanzennährstoffen im wärmeren Boden. "Die Bäume müssen anscheinend vermehrt Kohlenstoff in die Wurzeln investieren, um ihre Nährstoffversorgung sicherzustellen", sagt Schindlbacher.

Auch positive Entwicklungen

Die Bodenerwärmung hat auch die Zusammensetzung der sogenannten Ektomykorrhiza, eine symbiotische Verbindung zwischen Pflanzen und Pilzen, verändert. Das Pilzgeflecht bildet einen dichten Mantel um die jungen, unverkorkten Wurzelenden, um den Nährstoffaustausch zwischen Pilz und Pflanze zu erleichtern. Im erwärmten Boden nahm etwa die trockenheitstolerante Schlauchpilz-Gattung Cenoccocum zu.

Den Forschenden zufolge deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die globale Erwärmung im untersuchten Ökosystem den Kohlenstoffeintrag in den Boden erhöht, weil Wachstum und Umsatz von Feinwurzeln beschleunigt werden. "Das wäre durchaus grundsätzlich positiv, weil der Boden durch die Erwärmung und die damit verbundene Ankurbelung der mikrobiellen Aktivität generell eher Kohlenstoff verliert", sagt Schindlbacher. "Erhöhtes Wurzelwachstum könnte diesen Effekt zumindest etwas abfedern." Zudem könnte die Veränderung der Feinwurzeln und eine andere Zusammensetzung der Pilzgemeinschaft die Nährstoffaufnahme der Bäume optimieren. (APA, red, 29.3.2022)