Schwarze Löcher haben viele erstaunliche Eigenschaften – durch ihre enorme auf engem Raum geballte Masse krümmen sie die Struktur von Raum und Zeit so stark, dass weder Licht noch Materie entrinnen können, wenn sie sich erst einmal zu stark angenähert haben. Wenn zwei Schwarze Löcher verschmelzen, sind dabei so große Massen in beschleunigter Bewegung, dass daraus resultierende Störungen in Raum und Zeit wellenartig ausgesendet werden – die Gravitationswellen. Eines der größten Mysterien von Schwarzen Löchern betrifft aber das Informationsparadoxon, zu dem kürzlich eine neue Arbeit im Fachblatt "Physical Review Letters" vorgelegt worden ist.

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Schwarze Löcher geben der theoretischen Physik immer noch Rätsel auf.
Illustration: Reuters/Nasa/JPL-Caltech

Rätselhafter Vorgang

Bereits der 2018 verstorbene britische Physiker Stephen Hawking hat sich zeit seines Lebens intensiv mit dem Informationsparadoxon von Schwarzen Löchern beschäftigt und das Problem vor knapp 50 Jahren erstmals formuliert. Obwohl es damals wie heute noch keine etablierte Theorie gab, durch die Quantenphysik und Relativitätstheorie vereinheitlicht werden, konnte Hawking zeigen, dass Schwarze Löcher im Zusammenspiel von Quantenfeldtheorie und Relativitätstheorie eine thermische Strahlung abgeben. Der Effekt ist ziemlich gering, jedenfalls im Vergleich zur typischen Masse von Schwarzen Löchern. Letztlich führt die Hawking-Strahlung aber dazu, dass Schwarze Löcher verdampfen.

Genau dieses Phänomen führt mitten ins Informationsparadoxon: Gemäß der Quantentheorie kann Information nicht verschwinden. Doch das, was Schwarze Löcher tun, sieht jedenfalls auf den ersten Blick allzu sehr nach Informationsvernichtung aus: Sie fressen einfach alles auf, was ihnen zu nahe tritt, und verwandeln die Energie letztlich in gleichförmige Hawking-Strahlung. Gemäß des Ausspruchs "Schwarze Löcher haben keine Haare" des Physikers John Archibald Wheeler, wird die Sichtweise, dass Schwarze Löcher Information einfach spurlos verschlucken, als No-Hair-Theorem gehandelt. Sie sind nach außen hin glatt wie eine Glatze.

2019 konnte das Forschungsteam des Event Horizon Telescope das erste Foto des Schatten eines Schwarzen Loches präsentieren.
Foto: AFP/ESO

Doch kein Informationsverlust?

Hawking war selbst lange Anhänger des No-Hair-Theorems, erst ab 2004 vertrat er die Meinung, dass Schwarze Löcher womöglich doch Haare haben könnten. Genauer auf die Spur kam Hawkings letzte, posthum erschienene Arbeit, die seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen Malcolm Perry, Sasha Haco und Andrew Strominger ein halbes Jahr nach seinem Tod publizierten. Darin vertrat das Team die Ansicht, dass beim Verschwinden eines Objekts im Schwarzen Loch eine Spur in der Entropie des Schwarzen Lochs und seines Randbereichs hinterlassen werde. Demnach ist die Grenzfläche von Schwarzen Löchern, hinter jener alles verschlungen wird, von einem Kranz aus Photonen – genannt Soft Hair – umgeben, in dem sich die Entropie und damit die Information im Schwarzen Loch widerspiegelt.

Wenn die Haar-Hypothese von Schwarzen Löchern stimmt, dann würde das weitreichende Änderungen in der theoretischen Physik nach sich ziehen. Xavier Calmet von der Universität Sussex, der seit zehn Jahren zum Informationsparadoxon forscht, berichtet nun, mit seinem Team einen Durchbruch in der Frage erzielt zu haben, wodurch das Rätsel aufgeklärt werden könne. "Es wurde generell in der Scientific Community angenommen, dass die Lösung dieses Paradoxons zu einem Paradigmenwechsel in der Physik führen würde, wodurch es letztlich notwendig wäre, entweder die Quantenmechanik oder die allgemeine Relativitätstheorie neu zu formulieren", sagt Calmet. "Wir haben dagegen herausgefunden – und ich denke, dass das hochinteressant ist –, dass ein Paradigmenwechsel nicht unbedingt erforderlich ist."

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Verschmelzungstanz zweier Giganten: Ein Schwarzes Loch verschlingt einen Neutronenstern.
Illustration: AP/Carl Knox

Haariger als gedacht

In zwei Fachartikeln hat Calmet mit anderen Forschenden Ergebnisse vorgelegt, durch die sich ein neues Bild abzeichnet: Schwarze Löcher scheinen noch komplexer zu sein als bisher angenommen, nämlich haariger. Demnach hinterlässt Materie, die in ein Schwarzes Loch stürzt, einen schwachen Abdruck in dessen Gravitationsfeld. Dieser Abdruck wird als "Quantenhaar" bezeichnet. Die Studienautoren argumentieren, dass genau durch diesen Mechanismus beim Sturz ins Schwarze Loch Information erhalten werden kann. So hätten zwei Schwarze Löcher mit identischer Masse und Durchmesser geringfügig unterschiedliche Gravitationsfelder – abhängig von der Masse, die sie verschlungen haben.

"Unsere Lösung erfordert keine spektakulären Ideen, stattdessen zeigen wir, dass die beiden Theorien verwendet werden können, um konsistente Berechnungen für Schwarze Löcher zu liefern, und wir können erklären, wie Information erhalten bleibt, ohne dass es einer radikalen neuen Physik bedarf", sagt Calmet.

Empirisch kann die Vorhersage allerdings schwer getestet werden, da die Fluktuationen so gering sind, dass sie kaum mit astronomischen Beobachtungen registriert werden können. In der Fachwelt wurde der Vorschlag zwar mit Interesse aufgenommen, dennoch äußerten sich Kollegen, die nicht an der Studie beteiligt waren, skeptisch zur Frage, ob die Quantenhaare tatsächlich die langersehnte Lösung des Informationsparadoxons sind. (trat, 30.3.2022)