Wer Take-away anbietet oder theoretisch anbieten könnte, muss Teile der Miete bezahlen.

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Es war eine der meistdiskutierten Rechtsfragen der vergangenen zwei Jahre: Mussten Unternehmen, die ihre Geschäftslokale während der Lockdowns nicht nutzen konnten, trotzdem weiter Miete bezahlen?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat diese zentrale Frage in mehreren Entscheidungen mittlerweile beantwortet: War ein gemietetes Geschäftslokal "gänzlich unbrauchbar", entfielen Miete und Betriebskosten. Im Detail blieb allerdings vieles ungeklärt: Wann ist ein Geschäftslokal überhaupt "gänzlich unbrauchbar"? Und wann liegt ein "Restnutzen" vor?

In einer aktuellen Entscheidung hat der OGH nun zumindest bei Restaurants Klarheit geschafft: Aus Sicht des Höchstgerichts sind Gasthäuser, die einen Liefer- oder Abholservice anbieten können, zumindest "teilweise nutzbar". Die Miete kann deshalb zwar reduziert werden, entfällt aber nicht völlig. (OGH 25.1.2022, 8Ob131/21d)

Pflicht zu Take-away?

Eine Gastwirtschaft in Wien hatte während des zweiten Lockdowns im Herbst 2020 von November 2020 bis Jänner 2021 keine Miete mehr bezahlt. Die Vermieterin brachte daraufhin eine Klage ein: Das Geschäftslokal sei nicht "unbrauchbar" gewesen, weil es Restaurants damals erlaubt war, untertags einen Abhol- oder Lieferservice einzurichten. Das Wirtshaus brachte dagegen vor, dass "Take-away" schlicht nicht ihr "Geschäftsgegenstand" gewesen sei.

Vor dem Bezirksgericht Josefstadt und dem Landesgericht Wien hatte das Restaurant mit dieser Argumentation Erfolg: Aus Sicht der Richter habe man von der Gastwirtschaft nicht verlangen können, während des Lockdowns einen Abhol- oder Zustellservice einzurichten. Das Geschäftslokal sei in der Zeitspanne daher "gänzlich unbrauchbar" gewesen. Anders wäre der Fall zu beurteilen gewesen, wenn das Restaurant schon vor der Pandemie einen Take-away-Service angeboten hätte.

Möglichkeit reicht

Der Oberste Gerichtshof sah das in seiner aktuellen Entscheidung nun anders: Schon die "objektive Möglichkeit", einen Liefer- oder Abholservice anzubieten, begründe eine "zumindest teilweise Brauchbarkeit des Geschäftslokals". Vereinfacht gesagt: Wer Take-away anbietet oder theoretisch anbieten könnte, muss Teile der Miete bezahlen.

"Diese objektive Möglichkeit ist meiner Meinung nach im Regelfall gegeben", sagt Rechtsanwalt Reinhard Pesek. Ausnahmen gibt es laut Höchstgericht nämlich nur dann, wenn es dem Lokal nicht zumutbar gewesen wäre, sofort einen neuen Liefer- oder Abholservice zu starten, weil etwa ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre. "Das muss aber der Mieter beweisen", erläutert Pesek. Für ein Luxusrestaurant, das in der Einöde liegt, dürfte dieser Beweis in der Praxis leichter sein als für Fastfood-Lokale in einer Fußgängerzone.

Unternehmer, die von Lockdowns betroffen sind, müssten also "kreativ sein und sich an die Situation anpassen", erklärt Anwalt Stefan Strondl, der für Rechtsanwalt Jürgen Payer an der aktuellen Entscheidung beteiligt war. Völlig umstellen müssen Betreiber ihr Unternehmen zwar nicht, sie sind aber dazu verpflichtet, im Rahmen ihres Geschäftszwecks Verluste durch neue Konzepte auszugleichen. "Unternehmer werden sich zumindest überlegen müssen, was im Rahmen des Möglichen ist", sagt Strondl.

Offene Fragen

Trotz mehrerer Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zum Thema seien derzeit noch einige Fragen offen, sagt Strondl. Fraglich ist etwa, ob tatsächlich nur behördliche Schließungen eine Reduktion des Mietzinses rechtfertigen oder auch die allgemeine pandemische Lage, die dazu geführt hat, dass zum Beispiel weniger Touristinnen und Touristen im Land sind.

Auch im Bereich von Pachtverträgen sind noch Fragen offen. Bei gepachteten Geschäftslokalen, die gänzlich unbrauchbar waren, gilt dasselbe wie bei der Miete: Der Pächter muss nicht bezahlen. In Fällen, in denen ein Restnutzen bleibt, wird aber unterschieden: Bei Pachtverträgen, die länger als ein Jahr dauern, ist eine Minderung der Pacht gesetzlich ausgeschlossen. Ob die unterschiedliche Behandlung zwischen Miet- und Pachtverträgen gerechtfertigt ist, prüft derzeit der Verfassungsgerichtshof.

Cofag darf zurückfordern

Klargestellt hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile, dass Unternehmen staatliche Fixkostenzuschüsse nicht an die Vermieter herausgeben müssen. Geschäftsbetreiber, die eine Reduktion der Miete erwirken können, müssen das zu viel bekommene Geld aber zurückbezahlen. Mitte März hat die Förderagentur Cofag dazu neue Richtlinien veröffentlicht. Demnach ist für die Rückforderungen "die tatsächliche Nutzbarkeit der Geschäftsräumlichkeiten" während der Lockdowns maßgeblich, die auch anhand des Umsatzausfalls berechnet werden kann. (Jakob Pflügl, 30.3.2022)