Nicht alle Beschäftigten im Newsroom des "Exxpress" arbeiten immer lege artis, hat ein Gericht nun nicht rechtskräftig festgestellt.

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Wien – "Mitarbeiter des linken 'Tagesspiegel' als Schlepper festgenommen", betitelte das Online-Boulevardmedium "Exxpress" am 21. November die Geschichte über die Festnahme des deutschen Journalisten Sebastian Leber in Kroatien. Der hatte eine Reportage über Migranten schreiben wollen, die von Bosnien-Herzegowina in den EU-Staat wollten. Er folgte einer Gruppe im Abstand von mehreren Hundert Metern und überschritt dabei die nicht gekennzeichnete Grenze. In der ersten Ortschaft wurden alle von der Polizei gestoppt, Leber kurzfristig wegen illegalen Grenzübertritts festgenommen.

Erst nach mehreren Stunden teilten ihm die Beamten mit, dass auch der Verdacht der Schlepperei gegen ihn bestehe, die zuständige Verwaltungsbehörde sah dafür aber keine Hinweise und verurteilte ihn nur wegen der illegalen Einreise zu einer Strafe von 3.600 Kuna (umgerechnet 475 Euro), von denen 600 Kuna wegen der Zeit in Polizeiarrest erlassen wurden. Mittlerweile ist auch diese Entscheidung aufgehoben und Leber rechtskräftig freigesprochen.

"Eine rührselige Geschichte basteln"

Im "Exxpress" las sich die Geschichte etwas anders. "Es erinnert an den Fall Relotius", stand dort, womit insinuiert wurde, dass Leber wie sein Landsmann Geschichten einfach erfinde. Er habe "eine rührselige Geschichte basteln" wollen, schrieb der "Exxpress"-Redakteur. Leber klagte wegen übler Nachrede und bekam nun von Richter Christian Noe nicht rechtskräftig 10.000 Euro Entschädigung zugesprochen.

Das Verfahren bietet interessante Einblicke, wie selbsternannte "Nicht-Mainstream-Medien" arbeiten. Der "Exxpress"-Redakteur bekam von seinem Chefredakteur Richard Schmitt einen Tweet zu dem Fall weitergeleitet. Die Quelle ist unbekannt, die Recherche beschränkte sich auf die Internetlektüre eines kroatischen Artikels, übersetzt mit Google Translate, und das Überfliegen der Geschichte auf orf.at und spiegel.de, erzählt der Redakteur als Zeuge. "Dort geht es aber vor allem um den illegalen Grenzübertritt. Es ist im 'Exxpress'-Artikel eigentlich andersrum, da steht die Schlepperei im Vordergrund", merkt Richter Noe an. Er sieht in seiner Urteilsbegründung die journalistische Sorgfalt nicht eingehalten und prangert die rufschädigende Verknüpfung mit dem Fall Relotius an. (Michael Möseneder, 29.3.2022)