Der russische Verhandler Wladimir Medinsky und der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow (re.) bei den Verhandlungen.

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Das russische Verteidigungsministerium hat am Dienstag eine "drastische Reduktion" der Kampfhandlungen bei Kiew und der nahegelegenen Stadt Tschernihiw angekündigt. Das berichtet die staatliche Agentur RIA Nowosti über ihren Telegram-Kanal. Sie zitierte eine Äußerung des stellvertretenden russischen Verteidigungsministers Alexander Fomin in Moskau. So sollten Bedingungen für einen Dialog geschaffen werden, heißt es weiter.

Weitere Details der Ankündigung gibt es noch nicht, zudem fehlt auch eine unabhängige Bestätigung für ihre Umsetzung. Schon zuvor hatte Russland ja angekündigt, sich nun auf die "Befreiung" des Donbass konzentrieren zu wollen. Bereits in den vergangenen Tagen war rund um die ukrainische Hauptstadt zu beobachten, dass russische Truppen sich in defensive Positionen begeben hatten. Teils hatte auch die Ukraine mit Rückeroberungsversuchen Erfolg. Das war allerdings nicht als freiwillige Zurückhaltung Russlands, sondern als Kampferfolg der Ukraine interpretiert worden.

Konsultationen zur Krim

Der erste Tag der Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul wurde nach rund vier Stunden beendet. Bei den Gesprächen zwischen den beiden Delegationen ging es nach Angaben der ukrainischen Seite vor allem darum, wie ein neutraler Status für die Ukraine aussehen könnte und welche Sicherheitsgarantien die ukrainische Regierung sich dafür vorstellt.

Ein ukrainischer Verhandler erklärte danach, Kiew habe ein neues System von Sicherheitsgarantien vorgeschlagen. Die Türkei könnte etwa mit Polen, Kanada und Israel zu den Garanten für die Sicherheit der Ukraine gehören, deren Parlamente müssten die Bestimmungen ratifizieren. Wenn das Sicherheitssystem funktioniere, würde die Ukraine einer Neutralität zustimmen. Dies inkludiere, dass sich keine ausländischen Militärbasen auf ukrainischem Boden befinden.

Zunächst sei allerdings ein Referendum in der Ukraine nötig, um die Zustimmung zu den Bedingungen eines Abkommens mit Russland einzuholen, erklärte die ukrainische Verhandlerseite. Damit eine Vereinbarung in Kraft treten könnte, sei Frieden im gesamten ukrainischen Gebiet nötig.

Über den Status der Krim könnte man dann in den kommenden 15 Jahren Konsultationen mit Russland führen. In dieser Zeit soll es keine gewaltsame Versuche geben, den tatsächlichen Status des Gebiets auf dem Boden zu verändern. Über den Status der Gebiete im Donbass äußerte man sich zunächst nicht.

Man warte nun auf die Antwort der russischen Seite auf die Vorschläge – davon hänge auch ab, ob und wann die Gespräche weitergehen. Es habe genug Entwicklungen gegeben, um ein persönliches Treffen zwischen den Präsidenten der Ukraine und Russlands zu veranstalten.

Bericht an Putin

Russlands Verhandler Wladimir Medinsky sagte, das Treffen sei konstruktiv gewesen, der Weg zu einer gegenseitig akzeptablen Übereinkunft sei aber noch weit.. Über Eine sofortige Zusammenkunft der Präsidenten erwarte er aber nicht. Diese wäre nur möglich, wenn die Außenministerien beider Staaten schon eine Vereinbarung finalisiert hätten. Man werde die ukrainischen Vorschläge aber nun prüfen und Präsident Wladimir Putin berichten.

US-Außenminister Antony Blinken erklärte nach den Istanbuler Gesprächen, er sehe keine Anzeichen, dass Russland die Friedensgespräche ernstnehme.

Gestartet waren die Gespräche am Dienstagmorgen mit einer kurzen Ansprache von Gastgeber Präsident Recep Tayyip Erdoğan an beide Delegationen. Erdoğan ermahnte dabei beide Seiten, endlich zu Ergebnissen zu kommen. "Die ganze Welt erwartet heute gute Nachrichten aus Istanbul", sagte er. Es müsse nun endlich Fortschritte geben. Das Treffen der beiden Delegationen fand in einem Gebäudekomplex innerhalb des ehemaligen Sultans-Palastes Dolmabahce statt, den Erdoğan bereits vor Jahren als Präsidentenbüro in Istanbul deklariert hatte. Die beiden Delegationen waren streng abgeschirmt und wurden von ihren jeweiligen Hotels unbemerkt von der zahlreich versammelten Presse in den Palast gebracht.

Nach Angaben ukrainischer Medien soll Außenmister Kuleba die ukrainischen Teilnehmer zuvor aufgefordert haben, nichts zu essen und zu trinken und möglichst wenig zu berühren, weil angeblich die Gefahr bestünde, das Russland einen Giftanschlag im Sinne hätte. Vor zwei Tagen berichtete das "Wall Street Journal", nach einem Vorbereitungstreffen der Ukrainer mit dem Kreml-Abgesandten Abramowitsch hätten sowohl Abramowitsch als auch einige Ukrainer anschließend Vergiftungssymptome gezeigt. Der Bericht wurde offiziell von der Ukraine sowie von Moskau dementiert. Der Oligarch Abramowitsch war auch in Istanbul für die russische Seite an den Verhandlungen als Berater beteiligt. (mesc, vos, jg, bed, 29.3.2022)