"Svenska Dagbladet" (Stockholm): Ein Klassiker

"Die Rede von Präsident Biden in Warschau war vermutlich die stärkste und beste seiner gesamten Karriere. Die Schlussworte werden zu einem Klassiker werden wie die von John F. Kennedy in Berlin und die von Ronald Reagan am Brandenburger Tor 1987. Biden sprach nicht zu einem russischen Spion und Diktator, sondern zur freien Welt, die nicht unter Putins Herrschaft leben will. Seine Botschaft war, dass es jetzt reicht.

Bidens Worte bedeuten etwas für Mitbürger der demokratischen Gemeinschaft, die für die Zivilisation im Westen wie im Osten einstehen. Sie zeigen, warum Werte wie Freiheit, Souveränität und Demokratie ohne Kompromisse gegen die Gräueltaten verteidigt werden müssen, die Putin und seine Kriegshunde gegen ein Volk begehen, das Russland niemals etwas getan hat."

Ein zerstörtes Wohnhaus in Charkiw.
Foto: AFP / Aris Messinis

"Washington Post": Die Wahrheit

"Bidens Bemerkung hatte etwas für sich: Wahrheit. (...) Sie diente zumindest dazu, Bidens umfassendere Bewertung des Putin-Regimes mit der unausweichlichen Schlussfolgerung zu verbinden: Es kann keinen Frieden und keine Sicherheit geben, solange es an der Macht ist. (...) Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten haben keine andere Wahl, als eine Strategie zu entwickeln, die nicht auf der langfristigen Realität basiert, nämlich dass sie nicht mit einem Putin-Regime leben können, sondern auf der kurzfristigen Wirklichkeit, dass sie es müssen – es sei denn, es kommt zu einer nicht absehbaren Revolution in Moskau.

In der Zwischenzeit ist der beste Kurs für den Westen, weiterhin das zu tun, was er tut: die russische Wirtschaft zu sanktionieren und gleichzeitig die Ukrainer großzügig und schnell mit Waffen auszustatten und zu unterstützen, um Russlands Scheitern auf dem Schlachtfeld sicherzustellen. Diese Politik funktioniert: Russland war bereits gezwungen, seine öffentlich erklärten Ziele zurückzuschrauben, ein stillschweigendes Eingeständnis, dass es nicht in der Lage ist, Kiew oder andere größere Städte einzunehmen. Das einzige Szenario, das Putins Machterhalt auf unbestimmte Zeit zu garantieren scheint, ist ein klarer russischer militärischer Sieg – und das wird mit jedem vergehenden Tag unwahrscheinlicher."

"Rzeczpospolita" (Warschau): Kein Zugeständnis

"Die Ukraine und Russland verhandeln. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagt, sein Land wolle der Nato nicht mehr beitreten. Dies war ja angeblich die Hauptforderung des Kremls: die Osterweiterung des Bündnisses zu stoppen. Man könnte also meinen, dass der Frieden sofort eintritt. Nein, das wirkliche Ende dieses Krieges würde darin bestehen, sicherzustellen, dass der Kreml nicht irgendwann einen weiteren Krieg provoziert.

Die wichtigste Bedingung der Ukraine für ein Abkommen, also für Zugeständnisse ihrerseits, ist der vollständige Rückzug der russischen Truppen, zumindest auf den Stand zu Beginn der aktuellen Invasion. (...) Doch Putin (...) tut alles, um die Erfüllung der offensichtlichen Bedingung unmöglich zu machen."

"de Volkskrant" (Amsterdam): Machtlos zuschauen

"Die internationale Gemeinschaft steht der humanitären Katastrophe, die sich in der Ukraine abspielt, schlichtweg machtlos gegenüber, weil ein militärisches Eingreifen nicht infrage kommt und Wirtschaftssanktionen bisher keine Wirkung gezeigt haben. Großherzig Flüchtlinge aufzunehmen bleibt die einzige Möglichkeit."

"De Standaard" (Brüssel): Was wäre annehmbar?

"Je mehr Waffen der Westen liefert, desto länger dauert der Krieg und desto mehr Tote, Verwundete, Zerstörungen und menschliches Leid wird es geben. Obwohl es logisch, selbstverständlich und gerechtfertigt ist, dass der Westen der Ukraine in ihrem Kampf gegen den Aggressor beisteht, kann es nicht schaden, darüber in Ruhe nachzudenken. Irgendwann wird die Frage beantwortet werden müssen, welches Ergebnis dieses Konflikts für den Westen annehmbar ist. (...)

Werden wir Selenskyj auch dann noch helfen, wenn er erreichbare Kompromisse ablehnt und zulässt, dass sich der Krieg in die Länge zieht? Oder (...) unterstützen wir ihn weiterhin, wenn er sich entschließen sollte, Putin seinen Willen zu lassen, um so die totale Vernichtung seines Landes und seines Volkes zu verhindern?

Aus staatsrechtlicher Perspektive wäre allein die Rückkehr zur Ausgangslage zufriedenstellend. Jeder andere Verlauf würde bedeuten, dass Aggression sich lohnt. Aber die humanitäre Perspektive liefert vielleicht andere Einsichten. Wie viele Menschenleben darf wie viel Unabhängigkeit kosten? Eine schwierigere Frage gibt es vielleicht nicht." (APA, 29.3.2022)