Die vom Wirtschaftsbund bei einer Betriebsprüfung eingebrachte Selbstanzeige war am Dienstag auch Thema bei der Regierungssitzung in Vorarlberg. Der grüne Koalitionspartner verlangt volle Transparenz.

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Auch am Dienstag gab es in der Vorarlberger Landespolitik nur ein Thema: Die Selbstanzeige des ÖVP-Wirtschaftsbundes, die es im Rahmen einer Betriebsprüfung gab. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte sie am Montagabend bestätigt. Wirtschaftsbund-Obmann Hans Peter Metzler, der auch Präsident der Wirtschaftskammer ist, sagte, man habe nichts falsch gemacht, die Selbstanzeige sei "in beraterischer Vorsicht" nach Absprache mit dem Steuerberater erfolgt. Nun warte man das Ergebnis der Prüfung ab.

Von dieser "beraterischen Vorsicht" war auch in einer Nachricht an die Mitglieder des Wirtschaftsbundes die Rede, die im Namen von Metzler und Direktor Jürgen Kessler am Dienstag ausgeschickt wurde. Es gehe einerseits um die steuerliche Beurteilung des Mitgliedermagazins sowie um die "steuerliche Beurteilung innerparteilicher Verpflichtungen", heißt es in der Nachricht.

Die Spur des Geldes

Den genauen Inhalt der Selbstanzeige kommuniziert weder die ÖVP noch deren Teilorganisation. Wallner und Metzler zufolge geht es aber um die Frage, ob für Geld, das vom Wirtschaftsbund an die ÖVP ging, Mehrwertsteuer hätte gezahlt werden müssen. Bei verkauften Inseraten im Magazin des Wirtschaftsbunds, die Schätzungen zufolge etwa eine Million Euro im Jahr einbrachten, wurde ein Steuersatz von fünf Prozent angewendet. Beides dürfte nun von der Finanz infrage gestellt und deswegen geprüft werden.

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Auch um welche Summe es genau geht, wird nicht kommuniziert. Aus den Rechenschaftsberichten der ÖVP kommt etwa der Punkt "parteieigene wirtschaftliche Tätigkeit" infrage, wofür in den vergangenen Jahren Beträge um die 500.000 Euro angeführt werden. Allerdings dürften diese Gelder auch von anderen Teilorganisationen stammen, wobei die finanzstärkste definitiv der Wirtschaftsbund ist. In diese Richtung gingen jedenfalls Vermutungen von Oppositionsparteien. Sicher, unter welchem Punkt im Rechenschaftsbericht die Zuwendungen des Wirtschaftsbundes angeführt werden, war sich niemand.

Antworten auf diese Fragen bekamen einmal mehr die "Vorarlberger Nachrichten". Dieser Zeitung sagte ÖVP-Landesgeschäftsführer Dietmar Wetz, dass die ÖVP "keinen einzigen Cent Einnahmen aus parteieigener Tätigkeit" habe. Ein "Unterstützungsbeitrag" vom Wirtschaftsbund an die ÖVP werde hingegen nur einmal pro Regierungsperiode überwiesen, sagte Wallner am Dienstag. Wetz zufolge seien das 2014 400.000 Euro gewesen und 2019 dann 500.000 Euro. Verbucht habe man das im Rechenschaftsbericht dann unter "Parteisteuer". Der Betrag bewegt sich in den anderen Jahren zwischen 150.000 und 180.000 Euro.

Was die anderen Parteien in Vorarlberg jetzt fordern

Für die Grünen, Koalitionspartner der ÖVP in Vorarlberg, wiegen die Vorwürfe schwer. Landessprecher und Landesrat Daniel Zadra will die Prüfung nun abwarten, er habe vollstes Vertrauen in die Beamtinnen und Prüfer. Es brauche jedenfalls vollste Transparenz. Die Oppositionsparteien FPÖ, SPÖ und Neos forderten personelle Konsequenzen. Die Pinken brachten außerdem eine umfangreiche Anfrage an Wallner ein. Die Fragen zielen dabei auf die Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Rechenschaftsberichte ab, die die Parteien abliefern müssen. Wallner bezog sich zuletzt mit Verweis auf die – wenig aussagekräftigen Rechenschaftsberichte – dass man sich an alle Regeln gehalten habe. Auch die FPÖ brachte auf Landesebene bereits eine Anfrage ein.

Da strafrechtliche Folgen bis in die ÖVP hinein nicht ausgeschlossen sind und unklar ist, ob auch in anderen Bundesländern ähnlich vorgegangen wurde, schlägt die Causa auch in der Bundespolitik auf.

Mehrere Anfragen an Ministerien

Gerald Loacker, Gesundheits- und Sozialsprecher bei den Neos, brachte am Dienstag Anfragen im Finanz-, im Justiz- und im Wirtschaftsministerium ein. Bei Letzterer geht es vor allem um die Fraktionsförderung in der Wirtschaftskammer, 2020 wurden insgesamt 24,7 Millionen Euro ausbezahlt, der Großteil an den Wirtschaftsbund. Loacker will wissen, ob diese Förderung nicht zu hoch ist, wenn es beim Wirtschaftsbund offenbar überschüssiges Geld gebe.

In diese Richtung kam am Dienstag auch Kritik von der "Grünen Wirtschaft", die den Wirtschaftsbund schon seit vielen Jahren im Visier hat. Bundessprecherin Sabine Jungwirth vermutet Inseratenpraktiken wie in Vorarlberg auch in Kärnten und im Burgenland. "Der ÖVP-Wirtschaftsbund betrachtet die Wirtschaftskammer ganz offensichtlich als Selbstbedienungsladen."

In der Anfrage an das Justizministerium thematisiert Neos-Mandatar Loacker mögliche strafrechtliche Folgen und fragt, ob es auch eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch oder bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gab. Und von Finanzminister Magnus Brunner will Loacker unter anderem wissen, wann genau die Selbstanzeige erfolgte, seit wann die Betriebsprüfung läuft und was der Stand des Verfahrens ist.

Finanzministerium gibt keine Auskünfte zu Steuerprüfungen

DER STANDARD stellte Brunner die gleichen Fragen – Antworten blieben aber aus, man könne "aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung keine Auskunft zu Finanzprüfungen erteilen", sagt ein Sprecher. Keine Antworten gibt es von Brunner auch zu der Frage, was er – als Mitglied der Vorarlberger ÖVP mit Wirtschaftsbund-Vergangenheit – zu der Causa sagt und wie er das Verhältnis zwischen ÖVP und Wirtschaftsbund definiert.

In Vorarlberg versucht sich die ÖVP nämlich von der eigenen Teilorganisation zu distanzieren. Landesgeschäftsführer Dietmar Wetz wird auf Ö1 mit den Worten zitiert, der Wirtschaftsbund sei wie eine eigenständige Firma und habe mit der Landespartei nichts zu tun. Im November klang das bei Wallner noch anders, er sprach davon, dass man natürlich eng mit dem Wirtschaftsbund zusammenarbeite.

FPÖ will Peschorn als Interims-Minister

Dass Brunner eine Vergangenheit beim Wirtschaftsbund hat, sorgte auch bei SPÖ und FPÖ für Reaktionen. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer verlangte, dass sich Brunner aus den Erhebungen heraushalten müsse. Immerhin handle es sich beim Wirtschaftsbund um den ehemaligen Arbeitgeber Brunners. FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker forderte gleich, dass anstelle Brunners der Leiter der Finanzprokurator, Wolfgang Peschorn, "interimistisch die Leitung des Finanzressorts als Minister bis zu den unausweichlichen Neuwahlen übernehmen" sollte, "um so eine unabhängige Aufarbeitung des schwarzen Steuerskandals zu gewährleisten".

Keine Reaktion kam bislang aus der ÖVP im Bund. Dort wurde man am Montagnachmittag von der Nachricht über die Betriebsprüfung und die erfolgte Selbstanzeige dem Vernehmen nach vollkommen überrascht – dementsprechend heftig soll dann auch die Reaktion ausgefallen sein, allerdings nur hinter den Kulissen. (Lara Hagen, 29.3.2022)