Der Terroranschlag in Wien am 2. November 2020 erschütterte die Stadt – nach wie vor laufen dazu Ermittlungen. Einige junge Männer wurden nach dem Anschlag festgenommen und mittlerweile wegen Propaganda-Delikten verurteilt.

Foto: Robert Newald

Im Juli 2020 ereignete sich in Wien ein Treffen, das später Wellen schlagen sollte – und nach wie vor nicht restlos aufgeklärt wurde. Mehrere junge Männer, teils aus der radikal-islamischen Szene – auch aus dem Ausland –, kamen da zusammen, beteten, aßen gemeinsam, gingen shoppen. Dazu gehörte auch der spätere sogenannte Attentäter von Wien, K. F., der am 2. November 2020 vier Menschen umbrachte und von der Polizei erschossen wurde. Unmittelbar nach dem Treffen reiste er in die Slowakei, wo er sich Munition besorgen wollte.

Ebenfalls zeitweise bei dem internationalen Treffen dabei war ein heute 17-jähriger gebürtiger Kosovare, der am Mittwoch im Wiener Landesgericht auf der Anklagebank saß. Er wurde direkt nach dem Anschlag festgenommen und kam erst im Mai 2021 wieder frei. Verhandelt wurde am Mittwoch aber nicht seine Rolle bei dem Anschlag, sondern Propagandainhalte, die im Zuge der Ermittlungen aufgetaucht waren.

Dabei ging es unter anderem um Inhalte des radikalislamischen Predigers Mirsad O. und des Chefs des deutschen IS, Abu Walaa, die der junge Mann weitergeschickt hatte. Er bekannte sich dazu – ohne weitere Ausführungen – voll geständig. "Es tut ihm leid", sagte dessen Anwalt Philipp Wolm, der da einen problematischen Einfluss des älteren Bruders des Angeklagten sah. Mit dem soll der Angeklagte mittlerweile auch gebrochen haben.

"Mustergültiger" Betreuungsverlauf

Sowohl der Bewährungshelfer des angeklagten Kosovaren als auch dessen Betreuer im Deradikalisierungsprogramm Derad und beim bundesweiten Netzwerk Offene Jugendarbeit (Boja) attestierten dem 17-Jährigen eine hervorragende Entwicklung. Da hieß es etwa, man wünsche, alle Klienten wären so wie dieser, er habe sich "bilderbuchmäßig" verhalten. Bei Derad hofft man sogar, dass der junge Mann irgendwann selbst als Peer Klienten unterstützen könne.

Dieser "fast mustergültige Betreuungsverlauf", wie der Richter es bei der Urteilsverkündung formulierte, war es auch, der dazu beitrug, dass der junge Mann auf freiem Fuß bleiben wird, obwohl er – nicht rechtskräftig – wegen Terrordelikten verurteilt wurde. Von den zwölf Monaten Haft werden ihm zehn bei drei Jahren Probezeit bedingt nachgesagt, er muss sie also nicht absitzen. Die zwei verbleibenden Monate saß er bereits in der U-Haft ab. Dazu kommen Weisungen: Der 17-Jährige muss weiterhin zu Boja, Derad und der Bewährungshilfe.

Versäumnisse der Behörden

Der Richter hielt bei der Urteilsverkündung aber auch fest: Was es mit den Jihadistentreffen und damit auch mit dem Terroranschlag auf sich hat, müssten "andere Verfahren zeigen, sofern es welche gibt". Die Ermittlungen dazu laufen weiterhin, immer noch sind mehrere Männer im Zusammenhang mit dem Ermittlungen zum Terroranschlag in U-Haft.

Der am Mittwoch verurteilte Kosovare spielte bei dem Treffen jedenfalls nicht nur eine Nebenrolle: Er war dabei, als mit den Gästen aus der Schweiz und Deutschland gesportelt und herumgefahren wurde, er besuchte auch gemeinsam mit ihnen eine Moschee. Noch bis kurz vor dem Anschlag soll er außerdem Kontakt zum Attentäter gehabt haben, sein Handy setzte er später auf Werkseinstellung zurück. Das Oberlandesgericht Wien hielt aber auch bereits fest, dass man nicht davon ausgehe, dass der junge Mann in Anschlagspläne eingeweiht gewesen sei.

Hohe Wellen schlug das Treffen auch deswegen, weil es zwar von den österreichischen Behörden observiert worden war, ohne dass diese jedoch aktiv wurden. Auch eine Gefährderansprache des späteren Attentäters wurde verschoben. Weder das Treffen noch der versuchte Munitionskauf kurz danach wurden der Staatsanwaltschaft gemeldet. (Gabriele Scherndl, 30.3.2022)