Roger Hackstock, Sachbuchautor zur Energiewende und Geschäftsführer des Branchenverbandes Austria Solar, fordert in seinem Gastkommentar, dass die Politik in Sachen Klimaschutz endlich in die Gänge kommen muss.

Seit zwei Jahren hält uns eine Pandemie in Atem, jetzt ist zusätzlich ein Krieg ausgebrochen, der fassungslos macht und den niemand erwartet hat. In dieser permanenten Zeit der Krisen ist ein Thema in den Hintergrund gerückt, das uns in Zukunft jedoch mehr als alle derzeitigen Krisen zusammen beschäftigen wird. Das letzte Jahr war eine einzige Abfolge von Klimaextremen, von Starkregen und Hitzewellen bis zu Waldbränden.
Die Aussichten für 2022 sind nicht besser, sagen die Klimaforscher. Kein Wunder, die weltweiten Treibhausgasemissionen sind seit den 1990er-Jahren um 60 Prozent gestiegen, nach einem kurzen Einbruch waren sie letztes Jahr fast schon wieder so hoch wie vor der Pandemie. Der Klimaschutz kommt seit drei Jahrzehnten nicht vom Fleck, immer wieder geschieht etwas, das ihn stoppt. Man fühlt sich an das Schicksal von Sisyphus erinnert, der ewig einen Felsbrocken den Berg hinaufwälzt, welcher ihm knapp vorm Gipfel jedes Mal entgleitet und den ganzen Weg wieder hinunterrollt.
Enorme Wellen
Im Jahr 2007 standen die Zeichen für den Klimaschutz richtig gut. Der Weltklimarat hatte einen Bericht herausgebracht, der erstmals eindeutig feststellte, dass der Mensch die Schuld am Klimawandel trägt. Das schlug enorme Wellen, alle Medien berichteten mit großen Schlagzeilen, im selben Jahr kam auch der Film Die unbequeme Wahrheit von Al Gore ins Kino. Die Botschaft war in der Bevölkerung angekommen, der Weg für umfassenden Klimaschutz schien in der Politik geebnet. Dann platzte in den USA die Immobilienblase, und eine Finanzkrise erschütterte die Welt, die alle Aufmerksamkeit und verfügbaren Mittel erforderte. Das Klimathema war vom Tisch, der Stein kehrte um und rollte zurück ins Tal.
Erst mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 nahm das Thema wieder Fahrt auf, die ganze Welt hatte sich geeinigt, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten. Als die Jugendlichen nach ein paar Jahren merkten, dass den Worten keine Taten folgten, war Fridays for Future geboren. Millionen gingen auf die Straße, das Thema begann Wahlkämpfe zu bestimmen, die Politik reagierte mit neuen Gesetzen, und fast schien es so, dass diesmal die Weichen für Klimaschutz gestellt waren. Dann kam Corona. Wieder kehrte der Stein um und rollte zurück ins Tal. Und jetzt herrscht ein fürchterlicher Krieg, der alles überschattet.
Letzte Chance?
Während wir wie Sisyphus beim Klimaschutz immer wieder von vorne anfangen, geht der Klimawandel munter weiter. Vor kurzem haben die Klimaforscher festgestellt, dass es an den Polen heuer um vierzig Grad zu warm ist, die Temperatur nähert sich dem Schmelzpunkt. Wir müssen endlich in die Gänge kommen und die Krisen nicht mehr als Ausrede benützen, um den Klimaschutz einzubremsen. Unsere Aufgabe muss sein, den Stein auf die andere Seite des Berges zu rollen, wo Klimaschutz trotz aller Krisen zum Selbstläufer wird. Denn es wird vermutlich unsere letzte Chance sein, den Planeten für die nächsten Generationen in lebenswertem Zustand zu erhalten. Oder wie Goethe sagte: "Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Taten sehen!" (Roger Hackstock, 31.3.2022)