Idylle oder Abgrund: Der Film "Wet Sand" tendiert zu Letzterem.

Foto: Stadtkino Filmverleih

Amnon ist ein schweigsamer, älterer Mann, der sich seinen Lebenstraum erfüllt hat. Er betreibt ein Café in einem kleinen Dorf irgendwo am Schwarzen Meer in Georgien.

Bei ihm spielen die Gäste Backgammon, trinken "pissdünnes" Bier, und manchmal sitzt auch abends noch eine Runde beisammen und singt einschlägig wirkende Lieder. Doch von einer Idylle ist das Wet Sand Café mit seinen Besuchern weit entfernt.

Stadtkino Filmverleih

Denn unterschwellig gibt es in dieser Welt viele Spannungen. Sie treten schließlich zutage, als jemand stirbt. Eliko hat sich erhängt. Er war einer der Außenseiter im Dorf, er galt als elitär, außerdem als "gottlos", wie einer der härteren Traditionalisten es ihm in diffamierender Absicht nachsagt.

Die einzige Angehörige kommt aus der Stadt: Moe, glamourös auf eine queere Weise, eine Frau mit herausforderndem Blick. Sie tut nicht viel, ihre Präsenz allein reicht, um alle die verdrängten Geheimnisse freizulegen, die mit Amnon und Eliko und im weiteren Sinn mit der georgischen Gesellschaft zu tun haben.

Ökologische Krise

Dass gleich zu Beginn im Fernsehen ein senil wirkender Geistlicher einen Familientag segnet, der gegen Bemühungen um Überwindung von Homophobie gefeiert wird, ist ein Indiz.

Nebenbei gibt es auch noch Berichte um eine ökologische Krise in den Dörfern mit "nassem Sand". Elene Naveriani erzählt von all dem auf eine Weise, wie sie im heutigen Festivalkino typisch ist: Nichts muss allzu deutlich werden, das Wesentliche erschließt sich allmählich in einer geduldigen erzählerischen Bewegung.

Die Figuren sind alle repräsentativ und doch individuell genug, um echtes Interesse zu erwecken. Wet Sand ist ein sehenswertes Beispiel für das insgesamt sehr spannende jüngere georgische Kino. (reb, 31.3.2022)